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Nordkap #5 - Von Umea nach Kautokeino, Parkplatz am reissenden Fluss

Moin, moin, um 06:45 Uhr bin ich schon wieder wach. Mein Körper ist noch immer nicht im Holiday Mode angekommen. Verdammt. Andererseits: morgens früh wach, mehr Zeit, schöne Dinge zu tun. Das erste: Verdunkelung auf: Blauer Himmel, Sonne. Yeah! Das vertreibt die letzte Müdigkeit. Aufstehen.

 

Denke mir, wenn ich jetzt Frühstück mache und die morgen Routine starte, bin ich erstmal ewig beschäftigt. Aber eigentlich wäre das nicht gut...ich glaube...ich lass als allererstes jetzt mal die Drohne hoch. So packe alles zusammen, und gehe, ungewaschen und ungefrühstückt, vor die Tür an den Strand. Interessiert ja hier eh keinen wie ich aussehe. Elche sind keine zu sehen. Gut, die zwei Camper vom anderen Ufer sind noch da, bei denen rührt sich aber noch nix. 

 

Nahe der Wasserkannte angekommen, überlege ich, wo ich die Drohne starte. Im Sand? Nee. Oh...und wie will ich sie steuern...verdammt...ich hab das Tablet in Zottl vergessen. Ich rufe Zottl kurz an, er bringt es mir schnell vorbei....schöne wär's...ich latsche durch den Sand zurück zu Zottl und hole was fehlt.

Als ich alles beieinander habe, kommt wieder die Frage: wo starten? Ich schau mich um und sehe Sand und Steine...hm...ein Stein ist groß und halbwegs flach. Zum starten geeignet.....in dem Moment denke ich jedoch noch nicht ans Landen....Drohne drauf, alles verbinden, Motoren an, los geht's. Wow!

Ich verfliege einen Akku, hoch und weit. Wetter top, kaum Wind und sonnig. So macht das Spaß.

 

20 Minuten später muss ich landen. Will das wieder auf dem Stein. Das Anfliegen ist schwierig, der leichte Wind lässt die Drohne in der Luft leicht driften. Der Stein ist auch nicht ganz flach. Hat Erhebungen auf der Oberfläche welche von den Rotoren touchiert werden könnten wenn ich unsauber lande. Drei mal positioniere ich die Drohne neu, bis ich denke....okay, jetzt schnell runter bevor sie wieder 10 cm abdriftet.  Und runter.

Uff....haarscharf geht der Plan auf. Sie wackelt beim Landen auf dem Stein kurz bedenklich, ich springe aber gleich hin und halte "den Daumen drauf von oben. So kippt sich nicht, touchiert nix, alles gut. Aus machen. Schnell.

Bin erleichtert, dass das gut geklappt hat.

 

Zurück zu Zottl. Drohne wird gegen Frühstück getauscht. Das nehme ich am Strand ein. Sitze dabei auf Schwemmholz. So sollte es jeden Morgen sein. Was für ein Ausblick, die Sonne wärmt, ich sitze im T-Shirt am Strand...in Schweden...glaube es selbst fast nicht. Sieht mehr nach Spanien aus.

 

Nach dem Essen entscheide ich, meine Kassettentoilette zu lehren. Es gibt hier öffentlich Plumpsklos. Da ich komplett ohne Chemie arbeite, sondern nur mit SOG, kann ich (im Prinzip) entsorgen wo ich möchte. Wasser zum Spülen der Kassette habe ich noch in einem separaten Behälter dabei. Alles läuft problemlos, ich hinterlasse keine Sauerei, alles sauber. Kassette leer.

 

Nach dem Essen wird es langsam Zeit aufzubrechen. Ich räume zusammen, verstaue alles, Motor an...ah...stop...die Wasserflasche steht noch auf dem Tisch, verräume die auch...dann geht's los.

War ein toller Übernachtungsplatz (64°10'38.1"N 21°02'06.3"E). Hier kann man es sich gut gehen lassen und auch mal einen Strandtag einlegen wenn man mag. Hab mich sehr wohl gefühlt.

 

Ich fahre die Schotterpiste zurück und ab auf die E4, weiter gen Norden.

 

Heute heißt es nochmal Kilometer machen. Ich fahre bis Tör, biege auf die E10 und folge dieser in nördliche Richtung. In Töre tanke ich vorsichtshalber mal noch. Hab zwar noch halb voll, aber man weiß ja nie.

Die Strecke gefällt mir, allerdings sind die Bodenunebenheiten zum Teil heftig. Beide Hände ans Lenkrad. Es gibt zwar keine Schlaglöcher aber Bodenwellen die aus Milch, Butter machen würden.

 

In Nybyn mache ich Mittag. Fahre über die große Brücke, dann rechts und wieder rechts auf einen Schotterweg und rolle bis ans Flussufer. Der hat viel Wasser. Das Ufer ist matschig. Verdammt....wie drehe ich hier eigentlich? Es sieht rutschig aus und auch etwas "sumpfig". 

       

Aber wieder mal....mit leerem Magen denkt es sich nicht gut. Erstmal essen. Ich wärme mir die Reste von gestern auf. Aufgewärmt fast noch besser.  

Meine Bevorratungsplanung ist, dass ich mich die erste Woche von frischen Dingen ernähre. Später dann auf eingeschweißtes wie Maultaschen, Nürnberger zurückgreife und gegen Ende die ein oder andere Dose oder Glas öffne. Möglichst wenig einkaufen. Ist ja Urlaub...da will ich mich mit lästigem Einkaufen nicht belasten. 

Ich esse entspannt in Zottl. Draußen ist es etwas frischer geworden. Die Sonne nicht mehr klar am Himmel und Wind geht. Aber die Tür steht weit offen, und das Fliegengitter halt eine lästige Biene davon ab, in Zottl zu fliegen...haha.

 

Nach dem Essen kommt die Denkarbeit. Wie komm ich hier jetzt wieder weg. 200 m Schotterweg rückwärts fahren? Im Gras drehen? Im Matsch drehen? Hm....Ich laufe zum Matsch, stelle mich rein, prüfe die Bodenkonsistenz. Rutschig ja, aber nur an der Oberfläche wie es scheint. Unter der 2 cm Matsch Schicht kommt härter Boden. Könnte gehen. Mit Schwung rein und durch den Matsch, dann kommt ein härterer Bodenbereich, dort halten und mit Schwung zurücksetzen, mit der Hinterachse in ein anderes Matschfeld, Vorderreifen stehen dann aber auf festem Boden und vorwärts wieder den Schotterweg. Plan steht. Mach ich so.

Macht noch Spaß sowas auszutüfteln denke ich mir während ich einsteige und den Plan in die Tat umsetze. Was soll ich sagen, ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Ein paar Minuten später steht Zottl mit matschigen Laufflächen aber gut gedreht auf dem festen Weg. Kann weiter gehen.

 

Wir fahren gemütlich die 392 in nördliche Richtung. Überraschung, als ein Schild kommt: Polarkreis...blabla...oh...Anker werfen, links stehen Gebäude vor denen ein Parkplatz der zum Stoppen einlädt. Auf den nächsten Blick sehe ich...leck..alles komplett verfallen, da ist nix mehr lebendiges, total verlassen. Ich drehe Zottl, stelle ihn abfahrbereit wieder hin. Steige aus.

 

Der nähere Blick bestätigt den ersten Eindruck. Hier ist schon lange nix mehr los. Alles total verfallen. Eingeschlagene Scheiben. Kein Mensch. Irgendwie ein wenig unheimlich. Die Kulisse würde sich für einen Horrorfilm eignen. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl...fühle mich beobachtet...war da grade einer hinter dem Fenster?...bin ich doch nicht sooo alleine? Was war das grad für ein Schrei.....haha...mach nur Spaß, nix der gleichen passierte. :)

Aber bei dem "etwas unheimlich" bleibe ich. Ich fotografiere alles, halte es auf SD Karte fest und mach mich vom Acker. Fahr die 392 bis Pajala biege irgendwohin ab, fahre weiter und steh plötzlich vor der Grenze nach Finnland. Aha...das kommt jetzt überraschend!

Egal, ab nach Finnland. Dort folge ich einer guten E8 der Grenze entlang. Halte nochmal. Kalt geworden. Einstellig und ein mords Sturm. Ich muss richtig arbeiten um Zottl auf Spur zu halten. Zudem wird die Scheibe immer dreckiger...ein Friedhof.

Von meinem Etappenziel trennen mich noch underte von Kilometern. Ich will in die Nähe von Kautokeino, wo sich E45 und 92 treffen. Versteckter Parkplatz direkt am Fluss (69°11'35.4"N 23°34'26.3"E).


Viele Kilometer später, die Sonne steht schon sehr tief am Himmel, sehe ich nix mehr. Ich fahre direkt auf die tief stehende Sonne zu, mit dreckiger Scheibe. Das kann einen hier umbringen. Hab ich doch schon wegen vieler Rentiere ordentlich abbremsen müssen. Ich entscheid, dass es so nicht weitergeht. Waschmöglichkeiten in Form von Dampfstrahlern gibt's nicht. Aber ich habe vorgesorgt.
Ich halte in einer Parkbucht, in the middle of nowwhere, schnappe meinen Eimer, Schwamm und Sonax Zeug. Fülle Wasser dazu und hab eine Killer-Soße um die Scheibe vom Mückendreck zu befreien. Das funktioniert perfekt. Etwas klettern und die Scheibe ist sauber. Stelle mich für die Reinigung auf die Vorderräder. So komm ich überall gut hin.

Mein Co-Pilot hat ein fettes Grinsen im Gesicht, freut er sich doch über die tolle Aussicht. Na dann, nächstes mal bist Du dran mit putzen, mein Bester!
Motor an. Weiter. Immer noch viele Kilometer.

 

Irgendwann, es muss gegen 23 Uhr sein, rolle ich von der Straße, durch einen schmalen Schotterweg. Links und rechts Gebüsch, meine Außenspiegel touchieren dieses und wir kommen auf einen großen runden Platz. Direkt am Fluss. Ein Traum mal wieder. Und keine da. Nur wir.

Erstmal raus und Beine vertreten. Es ist verrückt. Es geht auf Mitternacht zu, die Sonne zwar nicht mehr zu sehen, aber die Abenddämmerung will einfach nicht verschwinden. Um eins bin ich noch immer wach. Und mir dünkt es, als würde es schon wieder heller. Ich bin nicht müde. Aber ich muss schlafen gehen.

Der Tagesrhythmus durch dieses ewige "Tag sein" ist komplett verschoben. Der Abend ist kein Abend, sondern Tag. Also fehlt der Abend. Ich denke nicht dran, Abend zu essen. Wie soll das auch gehen. Ohne Abend. Es ist verwirrend. Aber ich liebe es. Außerdem ist Urlaub und ohnehin alles egal. Ich bin niemandem verpflichtet, nur mir selbst. Hier kriegt eh keiner mit was ich mache oder nicht...naja..außer ihr natürlich, liebe Leserinnen, liebe Leser! :)) Und die ganzen YouTuber die meine Videos schauen...also reiß ich mich mal doch besser etwas zusammen. :)

 

Gegen irgendwann verdunkle ich Zottl. Das gibt meinem Körper das Zeichen, dass es Zeit ist. Ich schlafe zwar nicht sofort ein, mir gehen noch die ganzen Eindrücke des Tages durch den Kopf. Ich bekomme aber die Kurve und entschlummere...mal sehen was es morgen gibt. Nordkap eventuell?

Ich hoffe, ihr freut euch genauso auf den nächsten Tag wie ich mich.

Viele Grüsse

 

Kai

 

Die heutige Route:

 


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