Komme ich vom verschneiten Lukmanier Pass wieder runter?

Teil 2 von 3

 

Ich wünschte, ich könnte nun schreiben, der nächste Morgen, 8:30 Uhr, ich schlief gut und fühlte mich top fit.

Nein, so war es leider nicht. Aber das gehört halt auch dazu wenn man dort schläft, wo Extreme herrschen.

 

Um 6:15 Uhr war die Nacht zu Ende. Eine Nacht die sich anfühlte, als säße man in einem alten wackeligen Zug oder auf einem Boot. Der Sturm der schon am Abend ordentlich blies, hatte sich über Nacht sogar noch etwas verstärkt. Dies führte dazu, das Zottl unrhythmisch schwankte. Ich hatte ja nun schon Erfahrung mit unrhythmischen Regentropfen von Bäumen, unrhythmisches Schwanken war aber jetzt neu für mich. Ich wachte somit nachts immer wieder von dem Gewackel auf, ein ruhiger Schlaf sieht anders aus. Um viertel nach sechs war ich froh, dass es schon diese Uhrzeit anzeigte, ich blieb noch bis 7:00 Uhr liegen und stand auf.

Draußen vernahm ich schon bekannte Geräusche, ein schaben über Eis/Schnee. Da fuhren doch tatsächlich schon Schneepflüge rum. Hatte es etwa auch noch geschneit? Oh je, bitte nicht! Ein Blick raus zeigte: puh…nein, kein Neuschnee, nur Sturm, teils klar, und eher nebelig über dem See. Es sah nach möglichem Sonnenschein aus. Allerdings sollte das wohl noch etwas dauern, war ja noch früh.

 

In Zottl war es schön warm, ich hatte die Truma auf 19 Grad eingestellt, es war also sehr angenehm im Wagen. Die Dieselheizung lief ohne Probleme, kein rußen, nix. Und ich habe keinen Höhenkit verbaut. Ich liebe meine Dieselheizung!

 

Nachdem die Schneepflüge von der Passhöhe abgezogen waren, herrschte wieder einsame Ruhe. Ich alleine mit Sturm und Kälte (-11°C). Was macht man da? Genau, Hunger…frühstücken. Porridge mit Nüssen und Kaffee waren schnell gemacht. Mit Blick auf den Pass See, der vor sich hin dampfte, war das keine schlechte Aussicht. Könnte man sich durchaus dran gewöhnen. Ohne diesen verdammten Sturm hätte ich mir vorstellen können, noch eine zweite Nacht dort oben zu verbringen.

 

Gut gestärkt machte ich mich daran, die Videos des Vortages zu sichten und zu schneiden. Das ging so lange gut, wie ich Strom im Laptop Akku hatte. Und da begann das Problem: ich hatte mir einen neuen Laptop für meine Reisen zugelegt, mit Schweizer 3-Pol Stecker. Dummerweise ist mein kleiner 300 W Inverter jedoch mit einer EU Schuko 2-Pol Dose ausgerüstet. Mir fehlte also der passende Adapter. Der lag fröhlich zu Hause und genoss das Wochenende. Tja, blöd gelaufen. Somit war Schluss mit Videos editieren und sichten für diese Wochenende. Ärgerlich, aber kein Beinbruch.

Erinnerung an mich: leg den verdammten Adapter in Zottl!

 

Die Zeit verging, die ersten Autos fuhren vereinzelt über den Pass. Der Nebel lichtete sich immer etwas mehr und irgendwann kam die Sonne raus und tauchte den Pass in gleißendes Licht. Hallo Sonnenbrille...die hatte ich immerhin dabei.

Der Kontrast von See, Bergen und Schnee war atemberaubend und es hielt mich nicht mehr in Zottl. Ich musste raus. Rein in die warmen Klamotten, Winterjacke, Handschuhe, Schal, Wintermütze…äh…Wintermütze…hallo? Wo bist Du? Ah….beim Stromadapter…zu Hause, macht sich ein entspanntes Wochenende…wer hat hier eigentlich gepackt?  Naja, sollte auch ohne gehen, immerhin hatte ich noch ein Basecap dabei.

Bevor es raus ging, überprüfte ich noch die Kondensation im Cockpit an der Frontscheibe. Nix zu sehen, keine Kondensation, aber was es gab war eine gefrorene Scheibe, von innen. Oookaaaayy….da muss ich mir mal noch was überlegen….positive war, die Frontscheibe stand Richtung Sonne, evtl. löste sich das Problem ja von selbst. Ich entschied zu warten, was passiert.

Im Anschluss noch kurz ins Bad, Zähneputzen. Ähm…was is hier los…hallo Abfluss…warum staut sich hier das Wasser? Die Antwort war einfach: eingefroren! Bei -11°C keine Mörderüberraschung. Zum Glück war der Abfluss in der Küche noch frei.  

So, jetzt aber, Schiebetür auf, raus in die Kälte. Zum Glück drückte der Sturm nicht auf der Schiebetür. Hatte ich doch beim Parken etwas überlegt. Im Windschatten von Zottl war es auszuhalten, die Sonne schien, tolle Luft und weit und breit kein Mensch. Ich machte mich auf einen Kontrollgang um Zottl. Kaum kam ich jedoch aus dem Windschatten, wurde es frisch, verdammt frisch…eigentlich eher saukalt. Der Wind blies wie blöd und  ging durch alles durch was ich an meinem Körper trug.

Ich begann die Umgebung zu erkunden, lief zum See, machte Videoaufnahmen und bemerkte, dass meine Wintermütze besser bei mir, als zu Hause wäre. Meine Ohren begannen zu schmerzen vor Kälte, auch die Finger froren. Der Sturm blies ohne an Stärke zu verlieren. Trotz Sonne war es affenkalt. Entschädigt wurde ich jedoch von einem wolkenfreien Blick auf einen blauen Himmel, der im Kontrast zum Schnee noch blauer wirkte, dazu der schwarz farbene See, der munter vor sich hin dampfte. Es sah aus wie gemalt. Ohne den Sturm hätte ich mir einen Stuhl genommen und mich in die Sonne gesetzt und die Ruhe und Aussicht genossen. Mit dem Sturm war aber daran nicht zu denken. Zudem hatte ich ohnehin keinen Stuhl dabei.

Ich war komplett durchgefroren, die Ohren fielen fast ab, die Hände waren kalt. Zeit, wieder ins Warme zu gehen.

 

Auf Grund des Sturms auf dem Lukmanier Pass kam eine zweite Nacht dort oben nicht in Frage. Somit entschied ich, wieder Richtung Disentis zu fahren und von dort weiter nach Vals. Hier hatte ich einen Stellplatz an den Bergbahnen ausgemacht, geschützt gelegen, „nur“ 1300 m hoch, somit sicherlich etwas angenehmer von den Wind- und Temperaturverhältnissen. Zumindest bei ersterem sollte ich Recht behalten.

 

Also machte ich Zottl abfahrbereit. Ließ die Autos die ab und an auf den Pass fuhren um zu driften, hinter mir und startete den Motor. Die von innen gefrorenen Front- und Seitenscheiben waren von der Sonne bereits gut aufgetaut, der Rest verschwand während der Fahrt.

Ein wenig nervös war ich schon, immerhin ging es jetzt ziemlich sicher eine noch immer verschneite Passstraße runter. Ich hoffte allerdings, die Verhältnisse hätten sich durch Schneepflüge und Sonneneinstrahlung etwas gebessert. Hoffen darf man ja…auch wenn dann daraus nicht wirklich was wird.

 

Abfahrt, Zottl sprang auf den ersten Versuch an, man merkte aber, dass die Nacht kalt war. Ihm war es das auch und er dieselte etwas mehr als bei 0°C. Es wird ihm aber schon warm werden mit der Zeit. Vom Parkplatz kam ich gut weg, die ersten Meter der Straße sahen eigentlich auch gut aus, aber noch bevor es in den Tunnel ging, war die Straße wieder komplett weiß. Soviel also zur Verbesserung der Straßenverhältnisse. Die Tunneldurchfahrt war wieder ein Genuss, kein Schnee oder Eis.

Kaum war ich raus aus dem Tunnel, auf der Seite der Stauseemauer, schneebedeckte Fahrbahn und es ging gleich mal bergab. Meine größte Sorge war, das Zottl ins Rutschen kommt. Um das zu verhindern, hilft in meinen Augen nur eins: Schleichen und nur sehr sehr dosiert bremsen. Mein Naturell entspricht nicht dem eines Schleichers, in diesem Fall kamen mir jedoch schon 20 km/h als schnell vor. An den übelsten Stellen verwendete ich auch den Bergabfahrassistent der Serienmäßig mit an Board ist beim Citroen Jumper. Machte einen top Job.

Dennoch, wenn man mit ca. 3.1 Tonnen ein 12% Gefälle runter fährt ,auf eine Haarnadelkurve zu, auf einer schneebedeckten Fahrbahn, dann geht einem der A**** schon ein wenig auf Grundeis. Da musste ich aber wohl durch.

Langsam, Warnblinker an, nicht dass mir noch ein schnellerer ins Heck fährt, Zottl ist weiß, die Umgebung war weiß, orangenes Blinken sieht man da hoffentlich.

Die Haarnadelkurven waren haarig aber ich kam durch und runter. Aber damit war es nicht getan. Es ging weiterhin begab, ich fragte mich mehrmals, wie ich hier nachts eigentlich hoch gekommen war.

Meine Vanco Four Season von Continental waren echt der Hammer. Bin sehr zufrieden mit den Allwetterreifen. Haben sich sehr gut geschlagen.Ich schlich vor mich hin, wurde von zwei  Autos überholt, es war zum Glück nix los auf der Passstraße, ich somit kein Hindernis mit meiner Geschwindigkeit.

Zottle wurde bei -10°C und reiner Bergabfahrt nicht wirklich warm, fuhr aber ohne rutschen, schlingern oder ausbrechen brav langsam den Berg runter. Erst im letzten Drittel der Passstraße war die Strecke etwas besser geräumt und die Allwetterpuschen hatten direkten Kontakt mit Asphalt. Ein tolles Gefühl. Sobald die Straße jedoch wieder durch schattige Abschnitte führte, war es gleich wieder eisig und schneeig. Es war also bis runter ins Tal Vorsicht geboten und meine Fahrweise entsprechend.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich in Disentis an, fand einen Parkplatz unterhalb des Klosters und machte eine Rast. Für alle die mal in Disentis sein sollten: der Parkplatz verfügt über sehr saubere öffentliche Toiletten und auch über einen Brunnen an dem man Wasser in eine Gießkanne füllen könnte. Der Parkplatz ist jedoch kostenpflichtig und direkt an der Durchgangsstraße.

 

Ich aß einen Happen und da es mittlerweile bereits früher Nachmittag war, machte ich mich auf den Weg gen Vals, mein Platz für die nächste Nacht. Die Anfahrt war kurvig, ich fühlte mich an die Anfahrt nach Arosa erinnert. Teils gut ausgebaute Straße, teils eng, aber kein Schnee auf der Strecke. Rechts ging es oftmals steil abwärts, besser nicht von der Strecke abkommen dachte ich mir und lass mein Buch weiter…äh…hörte mein Hörbuch weiter. Zottl fuhr prima.

Nach gefühlt genau 728.526 Richtungswechseln war ich oben. Hallo Vals! Google Maps führte mich ohne Probleme auf den Parkplatz der Bergbahnen welcher offizielle als Womo Stellplätze ausgewiesen war. Auf der Zufahrt zum Parkplatz sah ich ein Schild mit einem abgebildeten Womo und darunter „Anmeldung“ geschrieben. Damit war wohl die Kasse der Bergbahnen gemeint. Leider, oder zum Glück, war die Kasse unbesetzt, ich konnte mich weder anmelden noch etwas zahlen (Übernachtung kostet 17,50 CHF + 2,50 CHF Kurtaxe). Die Wintersaison startet in Vals erst am 22.12.2017 was wohl der Grund für die unbesetzte Kasse war. Nun ja, ich fuhr auf den teilweise geräumten Parkplatz, es ging eine geräumte aber schneebedeckte Rampe runter (hoffentlich komme ich da morgen wieder hoch, dachte ich nur) und stellte Zottl in ein fast unberührtes Schneefeldli mit 10 cm Pulverschnee.

 

Motor aus, Nase raus halten: uh…kalt aber keinerlei Wind! Sehr gut! Freute mich auf eine hoffentlich ruhige Nacht. Nach einem nur schmalen Mittagessen, war ich ziemlich hungrig. Jetzt hieß es, kochen. Ich hatte Hackfleisch, Gemüse, Eier und vorgekochten Reis dabei. Hackfleisch angebraten, Karotten, Zucchini, Zwiebel, Tomate geschnitten und gedämpft. Danach alles zusammen in einen Topf und Kokosnussmilch und Wasser dazu. Köcheln lassen. Reis machte ich nicht warm. Zum Schluss kamen Reis und das Gekochte in eine Schüssel. Mahlzeit! Schnell und lecker.

Wenn man Reis oder Pasta bereits gekochte auf einen Kurztrip mitnimmt, vereinfacht sich das Zubereiten deutlich. Was noch cool wäre: ein 12V Reiskocher oder einer der max. 300 W und somit mit meinem kleinen Inverter liefe. Gibt’s sowas?

 

Mein PC Akku war weiterhin leer, hatte ja den entsprechenden Adapter zu Hause vergessen, so gab es am Abend nicht viel zu tun. Ich entschied daher, noch eine Runde durch Vals zu laufen. Bei -10°C, aber immerhin noch immer ohne Wind. Ich kam an zwei Brunnen vorbei, nicht eingefroren und somit könnte man dort sogar Wasser ziehen. Aber am Stellplatz gab es bei den Bergbahnen auch WC’s.

Nach 45 min war ich gut durchgefroren und lief zurück zu Zottl. Ab ins warme. Nicht viel später fielen mir die Augen zu, nach der letzten unruhigen Nacht, hatte ich etwas Schlaf nachzuholen. Ich ging pennen…der Weg von der Dinette ins Bad ins Bett war zum Glück nicht weit.

Zuvor hing ich aber noch den Müllbeutel mit den Gemüse und Zwiebel Abfällen an die äußere Türklinke der Beifahrertür. Dies nicht zur Einbrecherabschreckung, sondern einfach aus dem Grund, weil die Zwiebel Reste einen intensiven Geruch verbreiteten. Das sollten sie besser draußen tun als in Zottl. 

 

Gute Nacht und bis morgen.

 

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Koordinaten in diesem Text:

Lukmanier Pass: 46°33'50.1"N 8°48'04.2"E

Disentis Parkplatz/WC/Wasser beim Kloster/Kirche: 46°42'27.1"N 8°51'32.2"E

Vals Stellplatz Bergbahnen: 46°36'35.1"N 9°10'24.8"E

 

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