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#358 Gamvik, im Graben und am Ende eine Schranke

Donnerstag, 24.02.2022, Gamvik Sturm, im Graben, Kolonnen Parkplatz Hopseidet

 

 

Guten Morgen,


um 6:30 Uhr wache ich auf, an weiteren Schlaf ist nicht zu denken. Bin wach! Was ist nur los? Gestern auch schon um 6 Uhr ausm Bett gepurzelt, heute wieder so früh?
Na egal, bis 7 Uhr bleibe ich noch liegen, stehe anschließend auf. Draußen…Sturm und tief fliegender, aufgewirbelter Schnee. Ein Wetter, um definitiv nicht vor die Tür zu gehen.
Daran halte ich mich auch den ganzen Vormittag. 

 

So schreibe ich Blog, ärger mich mit meiner vollen 2TB MacBook Pro Festplatte rum, die voll ist, obwohl kaum Daten drauf sind.
Bis ich rausfinde, das Final Cut von allen meinen Videoclips Kopien in der Mediathek angelegt hat. Irgendwie bekomme ich den Mist halbwegs gelöscht. Das ganze kostet mich aber sicher 1,5 Stunden und viele Fluchwort. Freunde sind Apple und ich noch keine.

 

Aus Gamvik raus komme ich aufgrund der Wetterlage auch nicht so leicht. Konvoi Fahrten werden gemacht, zu viel Wind und daher Schneeverwehungen auf der Straße. Bei so einer Wetterlage wird die Straße gesperrt und stündlich oder alle zwei Stunden geht ein Konvoi über die Strecke. Das heisst, vorne ein fetter Schneepflug der die Strecke frei macht, direkt dahinter Lkws, dann Transporter und am Ende Autos. Am Ende fährt ein weitere Schneepflug der helfen soll, falls Fahrzeuge stecken bleiben. Hört sich abenteuerlich an.
Welche Stecken gerade gesperrt oder nur im Konvoi zu befahren sind, erfährt man auf www.175.no. Sehr aktuell und sehr verlässlich!

 

Diese Seite checke ich im Lauf des Vormittags auch immer wieder…aber keine Verbesserung.

Gegen frühen Nachmittag lässt der Sturm endlich etwas nach, Wolken Lücken am Himmel und Konvoi von Gamvik weg bis Mehamn besteht nicht mehr. Stecke also frei befahrbar. Das sind gute Neuigkeiten. So packe ich alles auf und weg und zwei verschlafene Bären neben mich: Abfahrt!

 

 

 




Aber….vorher noch eine Runde durch das Fischerdörfchen Gamvik. Die Sonne schaut sogar noch raus als wir das Dorf über die seehehr eisige Straße erreichen. Am Haus der Frontlader Fahrers kommen wir auch noch vorbei. Sein Gefährt steht vor der Haustür. 

 

In Gamvik selber ist nicht viel los. Eine kleine Fischfabrik, Museum und ein Laden. Sonst…ne Menge Schnee überall. Ich fahre bis zur Fischfabrik und daran vorbei, von hier gibt es einen schönen Blick aufs Dorf. Mit Sonne und dunklen Wolken. Sieht richtig abenteuerlich aus. Aber in dem Licht auch ziemlich schön!

 

Kalt ist es nicht, doch der Wind der hier noch bläst, lässt meine Kamera Finger frieren. Kalt!
Von der Hafenmauer runter fahrend, sehe ich noch einen schönen mini Sandstrand, wie süss! Nochmal stoppen und raus in den Wind. In Halbschuhen stapfe ich die 250 m zum vielleicht 10 m breiten Sandstrand, eingebettet in die felsige Küstenlinie. Treffe sogar noch auf eine Sauna. 

 

Der Blick aufs offene Meer, im Rücken die Sonne, vorne raus fast schon schwarze Wolken am Himmel. Sehr mystisch und einmalig! Hoffentlich kommen die nicht zu uns…

 

Und so verabschiede ich mich von Gamvik, schön wars, Reise hierher ans Ende der Welt lohnt sich. Jetzt schauen wir mal, dass wir nach Mehamn kommen, tanken und dann mal schauen. 

 

Die Fahrt über die Hochebene verläuft stürmisch aber gut. Hier und da kleinere Schneewehen auf der Straße, aber das war auf der Strecke nach Vardö schlimmer. Auch die Steigungen schafft Zottl ohne Probleme. Traktion gut mit Winterreifen. 

Die Sicht ist auch gut, wir kommen zügig mit 70-80 km/h voran, ein Idiot in einem Mercedes Vito überholt uns dann aber doch noch, vor ner Kurve, fährt diese zu schnell an und ich sehe noch wie sein Heck leicht ausbricht. Scheinbar fängt ihn sein ESP aber wohl wieder ein, seine Intelligenz war es sicher nicht die geholfen hat!

Ich wünsche ihm die nächste Schneewehe an den Hals.

 

                 

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Mehamn erreichen wir, tanken, fahren noch ne kurze Runde durchs Dorf, sehen aber nix wo wir parken könnten und somit die Teamentscheidung: weiter!

Über eine Hochebene kommen wir noch, dann ist wieder Konvoi und die Strecke geschlossen. Der Plan ist, auf dem Konvoi Sammelpunkt zu pennen und zu hoffen, dass die Strecke morgen wieder normal zu befahren ist. Allerdings sollten wir uns sputen, es wird schon wieder dunkler und ein weiterer Sturm ist im Anmasch!

 

Also, auf gen Hopseidet. Ungefähr 30 km durch die Antarktis. So sieht es auf den Hocheben nämlich aus. Schnee und Eis und nix. Dieser Streckenabschnitt soll es aber in sich haben für uns.

Deutlich stärkerer Wind als vorher, immer wieder Schnee auf der Strecke, deutlich schlechterer Sicht, schwindendes Tageslicht. Dennoch jagen wir mit 80 über die Eispiste. In Schwung bleiben, vor den Kurven langsamer, dann auf den Geraden wieder aufs Gas. Machen hier alle so!

Auf halber Strecke sehe ich in mittlerer Entfernung etwas neben der Straße, Sicht gerade etwas besser. Ich drossel das Tempo und als ich näher heran rolle, sehe ich einen Audi A6 älteren Baujahres links neben der Straße. Nur ist da leider kein Parkplatz. Der hängt im Tiefschnee, ist von der Straße gerutscht, ca 3 m links von der Straße. Das sieht nicht gut aus!

Ich halte an, Fenster runter, auch beim Audi geht das Fenster an der Beifahrerseite runter:

Ich frage: Are you okay?
Der Fahrer, vielleicht Anfang 20: macht eine wage Handbewegung, so alla: geht so!
Wir unterhalten uns kurz, dann entscheide ich, kurz auszusteigen und zu schauen, ob ich irgendwie helfen kann. Es wird dunkel, ein neuer Sturm ist am aufziehen, immerhin keine mörder Kälte, gerade mal minus 3°C. 

 

Nach in Sichtnahme der Situation erkenne ich, da kann ich wohl nicht helfen. Der Audi sitzt komplett auf Schnee auf. Die Räder drehen durch und finden keinen Halt, trotz Allrad.
Japp, mit Allrad bleibt man da stecken, wo auch der Abschlepper nicht mehr hinkommt.

Dennoch, ich biete einen Rettungsversuch an. So packe ich meinen Abschleppgurt aus, hole die Abschleppöse hervor, die war im Werkzeugset und liegt jetzt beim Abschleppgurt (Erinnerung an mich falls ich sie mal suche!). Während dessen schaufelt der Unglücksrabe mit meiner Mammut Schneeschaufel etwas den Schnee weg hinter seinem Auto.

Zottl muss ich für den Versuch ziemlich mittig auf die Straße stellen, die Kurve geht leicht nach rechts und ich kann nur von rechts hinten ziehen. So rangiere ich Zottl kurt dort hin, zum Glück sonst kein Verkehr. Nur ein Integriertes Womo kommt noch vorbei, hält aber nicht an. 

Den Gurt befestigen wir an Zottls Stoßstange, das andere Ende an des Audis rechten Hinterrads. 

Dann versuchen wir es…aber der Audi bewegt sich kein Stück. Zottl bewegt sich, wird, weil wir leicht seitlich ziehen, etwas in Richtung Straßenrand gezogen. Bevor ich auch im Schnee hänge, stoppe ich den Versuch. Zwecklos. Der Audi hängt zu tief drin. 

 

 


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Ich biete an, den Fahrer ins nächste Dort mitzunehmen, er lehnt aber dankend ab. Telefonieren kann man hier übrigens nicht, kein Netz. Aber er meint, er hätte mit zwei anderen Autofahrern gesprochen, die auch gehalten hatten, und die würden irgendwie Hilfe schicken. 

 

So verabschieden wir uns, ich muss weiter, es wird dunkler und ich hab noch sicher 15 km Hochland vor mir. 

Während der ganzen Aktion haut es mich zweimal schier auf den Hintern, so glatt ist die Straße hier. Ein Wunder, dass Zottl hier immer wieder genug Traktion findet. 

 

Die gefilmten Aufnahmen für YouTube, darf ich verwenden, meint der von der Straße Lutscher. Er hatte, noch bevor ich ausgestiegen war, gesehen, dass ich YouTuber bin. Ja, die Jugend hat dafür ein Auge. 

 

So düse ich bei Sturm, tieffliegendem Schnee, und immer mehr Dunkelheit Richtung Zielhafen. Die Fahrt ist heftig, erfordert ne Menge Konzentration. Seitenwind, Schneewehen, eisige Straße. Ein Fehler und man ist weg oder steckt fest. 

 

Wir aber schaffen es bis Hopseidet. Verlassen das Hochplateau auf steil abfallender Straße und stehen kurz darauf als einziges Fahrzeug vor einer geschlossenen Schranke. Ab hier geht es nur im Konvoi weiter. Tja…war ja klar…also parke ich Zottl auf den angrenzenden Parkplatz, möglichst aus dem Weg, drehe meinen Sitz und schauen von nun an dem Treiben da draußen zu. 

 

Immer mehr Autos sammeln sich vor der Schranke, um 17:40 Uhr kommt der Konvoi von der anderen Seite, also von Bekkarfjord an. Vorne ein Truck mit riesen Schild das den Schnee nach links und rechts wegdrückt, danach die LKW und PKW Kolonne und am Ende ein weiterer Truck mit Schneeschieber der den Schnee nach rechts wegdrückt. 

Sie fahren mittig, denn bei Kolonne gibt es keinen Gegenverkehr. Die Strecke ist in der Zeit nur in eine Richtung befahrbar. 

 

Der Anblick der Schneeschieber ist eindrücklich, das sind echt Monster Teile und wecken in mir den kleinen Jungen der mit offenem Mund vor großen Fahrzeugen seht und staunt. Kein Wunder also, gehe ich immer wieder raus in den deutlich stärkeren Sturm und filme, fotografiere. Der Wind so stark, dass er mich über die Straße schiebt und einmal schier umwirft. Übelst heftig!

 

Um 18 Uhr, bei Sturm, stehe ich dann also auch draußen und filme die Abfahrt. Dabei fällt es schwer, die Kamera überhaupt noch irgendwie zu halten und mich auf den Beinen. Der Sturm kommt in üblen Böen und zerrt an mir als versuche er, mich in den 500 m entfernten Fjord zu blasen. 

 

Punkt 18 Uhr geht die Schranke hoch, der vordere Pflug lässt sein Schild runter, wie ein Ritter der in ein Duell zieht und gibt Gas. Der Rest der Kolonne folgt, zum Schluss der zweite Pflug. Nach ihm schließt sich die Schranke und ich stehe alleine im Sturm. Wow! Das war jetzt echt cool.

Klar, wir hätten da jetzt auch mitfahren können. Aber warum? Es ist dunkel, filmen wäre praktisch unmöglich gewesen. Somit hätte ich nix gesehen und ihr alle auch nicht. Nee, wir pennen hier im Sturm. Gibt doch nichts gemütlicheres als Sturm im Camper. 

Da ich gut im Wind stehe, wackelt es nicht übermäßig und auch sonst pfeift nirgendwo der Wind rein. Ich muss sagen, meine Isolierung der Dachfenster mit Schaumstoff und Armaflex macht sich jetzt echt bezahlt. Von oben höre ich nix was Wind angeht. Auch zieht es nicht rein. 

 

 

Den Abend verbringe ich mit Videoschneiden. Um 19 Uhr kommt wieder ein Konvoi an. Danach bleibt die Schranke offen, der Sturm hat sich etwas gelegt, die Strecke wieder frei befahrbar. Auch gut…wir bleiben.

Abends mache ich mir Sandwiches, das Brot muss weg. Um Mitternacht schliesse ich den Cockpit Vorhang, nicht kalt heute Nacht, weitere Maßnahmen im Cockpit nicht notwendig, schnappe mir zwei durchwuschelte Fellfüsse und gehe pennen.

Viele Grüsse und gute Nacht.

Kai

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Anmerkung 30.03.2022, 11:18:

Aufgrund eines Copyright Claims von Epidemic Sound  muss ich leider das Lied bei den Gamvik Bildern stumm schalten. Sorry dafür! Ich war schon länger am überlegen, bei Epidemic Sound meine Musik zu beziehen. Dieser Vorfall hat mich davon nun abgebracht, ich werde zukünftig Musik von www.artlist.io nutzen. Danke Epidemic Sound für die Entscheidungshilfe!

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