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#366 Die krasseste Fahrt meines Lebens - Nordmeerstrasse

Freitag, 04.03.2022, Bucht an der E65 - Parkplatz,  Nordkapptunnel

 

 

Guten Morgen,

 

6 Uhr…ich sag dazu jetzt nix mehr…wach. Bis sieben, Social Media am Handy. Aufstehen. Blog tippen von gestern.

Und nu?

Draußen schneit es, oder auch mal nicht. Ab und an mal ne Windböe, sonst gehts mit dem Wind. Hm…da kommt mir doch ne Idee. 

 

Ich ziehe mich richtig warm an, baue meine Kamera aufs Stativ, mache mir Frühstück, ne kalte Milch und stelle alles DRAUSSEN auf. Minus 2 Grad, gerade kein Schneefall und wenig Wind. Frühstück draußen! Das erste dieser Art auf meiner Tour. Wird langsam mal Zeit. Immerhin haben wir schon März, also Frühling! Zeit, wiedermal Campingverhalten zu zeigen.

 

Okay, Stuhl und Tisch brauch ich nicht. Eine Sitzgarnitur steht hier rum. Aber so eingeschneit, dass ich auf der Banklehne sitzen muss. Aber das kann nicht noch von früher.
Kamera aufstellen, ausrichten und so haben wir ein gemeinsames Outdoor Frühstück, Blick aufs Meer, ab und an ein Auto, Bus oder LKW. Ansonsten Ruhe und Abgeschiedenheit. Herrlich! Ah…immer mal auch etwas Wind und ein paar Schneeflocken.

In die Kamera gibts zum Frühstück ne kleine Ansage. Nach 6 Wochen on the Road, mal wieder Zeit was zu sage, warum ich wie und was filme. Die letzten Tage, mal abgesehen von den Trollen, war wenig Action. 

Ich hätte es mir einfach machen könne, die Tage überspringen und an einem gewissen Zeitpunkt, wenn was spannendes vorfällt, wieder einsteigen mit filmen.

Aber mal ehrlich, das will ich so nicht. Natürlich wäre das einfacher und würde mir ne Menge Arbeit ersparen. Aber ICH will es so nicht. Ich finde Lücken in Reiseberichten scheisse! Also mache ich keine Lücken. 


Ich biete euch allen an, mit uns mitzukommen. Wir nehmen euch mit. An spannenden Tagen wie auch an „langweiligen“ und Alltagstagen. Dies hier ist ein Road Trip, eine Langzeitreise. Das ist Leben im Van. Mit Action und ohne Action. Mit Alltag und Abenteuer. 

Doch ließe ich die Tage „ohne Action“ weg, dann gäbe es kein rundes Bild. Zum einen fehlen die Tage, zum anderen ist die Reise einfach nicht korrekt dokumentier, das Bild verzerrt, falsch! 

Das will ICH nicht!

ICH will zeigen, wie es ist auf einem solchen Road Trip. Das volle Bild. Mit seinen Hochs und Tiefs. Ehrlich, ungeschönt, ohne Filter. Und dazu gehören halt auch mal langweiligere Tage an denen wir   fahren, wenig passiert oder ich eher arbeite. Das ist mein Leben im Van. Und genau das zeige ich. 

Zeige ich langweilige Tage nicht, bekommt ihr keinen richtigen Eindruck von allem. Weil etwas entscheidendes fehlt. 

Natürlich sind „langweilige“ Tage im Video dann kürzer, aber sie sind abgebildet. Und wer sie nicht lesen oder schauen will, kann ja springen. Verpasst dann aber mitunter dennoch etwas, denn auch ein anfangs normaler Alltagstag, hat seine Wendungen und kann spannend werden. 

 

 




Jo, soweit dazu mal. All das laber ich in die Kamera, und packe dann bei stärker werdendem Schneefall und leerem Frühstücksteller zusammen, mache Zottl startklar und verlasse unsere schöne Buch!

 

Wenn ich wüsste, was jetzt kommt, hätte ich mir das mit der Abfahrt vielleicht nochmal überlegt. 

Stutzig hätte ich werden sollen, als ich sehe, wie sich Co-Pilot und Friedrich anschnallen. Das machen sie praktisch NIE! Sie mögen es nicht, verdrückt den Pelz und verschiebt die Watte.
Doch heute…ja…eben…ich hätte das stärker hinterfragen sollen. 

 

Wir begeben uns wieder auf die Eispiste. Folgen der Küstenstraße nach Honningsvag. Ziel ist der Parkplatz hinter dem Nordkapp Tunnel. Doch bis wir dort sind, sind es 60 km. 

 

Anfangs läuft alles super, gute Sicht, am Meer entlang, glatt, kurvig, wir fahren nicht schneller als 50-60 kmh. Auf der Straße ist nix los. Von hinten drängelt niemand, von vorne ein Schneepflug und sonst nicht viel. 

 

Nach einigen Kilometer, verlassen wir die Küste, die Straße steigt an, wir kommen an einer geöffneten Schranke vorbei. Was nun folgt, wird wohl die vorerst krasseste Autofahrt meines Lebens. 

 

Anfangs ist noch alles gut. Die Steigungen kommen wir ohne Probleme hoch, überall liegen Schneemassen, ich filme noch mit dem Mistding aus dem Fenster. Doch je höher wir kommen und weiter weg von der Küstenlinie wir sind, beginnt es von links zu stürmen. Auch die Sicht wird deutlich schlechter. Konturen sind nicht mehr auszumachen. Orientieren kann ich mich nur an den roten Farbahnbegrenzungsstecken die alle 10 m im Schnee stecken.

Zum Glück hab ich meine Snowboard Brille griffbereit. Mit ihr sieht man bei solche einem miesen Wetter etwas besser. Ich setze sie schnell auf. Etwas besser wird es. 

 

Was bleibt ist der Sturm, die rutschige-eisige Straße und die Tatsache, dass es andauernd irgendwie bergauf geht. Die Strecke total vereist, Split suchen Zottl’s Reifen vergebens. 

Entgegenkommend LKWs nehmen uns für Sekunden komplett die Sicht, wir jagen also mit 60-70 kmh blind in ein Whiteout durch den vielen aufgewirbelten Schnee der Trucks. Selbes Spiel bei Schneepflügen die entgegen kommen. Krass!

Langsamer werden ist nicht, sonst bleiben wir womöglich in einer Schneewehe hängen oder in der gefühlt permanenten Steigung. So wie es stürmt, ist das nicht ausgeschlossen. Auch wenn ich weiterhin zur genauen Schneesituation auf unserer Straßenseite nix sagen kann. Es ist einfach alles weiss und nebelig. Immerhin sehen wir die Stecken noch gut und auch ein ordentliches Stück voraus. Auch Google Maps läuft, so sehe ich, wann Kurven kommen die evtl. einer Geschwindigkeitsreduktion bedürfen. 

 

Wer denkt, dass ist schon übel…es wird noch schlimmer! Der Schneefalls wird dichter und stärker, die Sicht nimmt weiter ab. Die Straße zum Teil vom Schnee total befreit. Man könnte meinen, wir fahren auf Asphalt…doch besteht der Untergrund aus schwarzem Eis! Unfassbar. Und immer wieder geht es bergauf! Gefühlt müssten wir bald 1000 m hoch sein. 

 

Auf einer langen Geraden die über die Hochebenen führe, natürlich ansteigende Hochebenen, bemerke ich plötzlich, wie es Zottl nach rechts versetzt, obwohl ich keinerlei Lenkbewegung gemacht habe. Ich reagiere Blitzschnell, lenke gegen, merke aber, Zottl reagiert nicht. Der Sturm ist so stark und der Grip so scheisse, dass der Wind uns über das Eis schiebt. 

Das ist ein Gefühl, das wollt ihr nicht erleben. Ich sitze praktisch machtlos am Steuer während es Zottl um zig Zentimeter nach rechts verschiebt. Nur gut fahre ich recht mittig, so dass der Straßenrand noch ein gutes Stück entfernt ist. Dennoch, wenn noch nicht mal Gegenlenken hilft, dann geht der Arsch so langsam auf Asphalteis. 

 

                 

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Zum Glück finden Zottls Reifen irgendwo und irgendwie wieder etwas Traktion und wir halten uns auf der Straße. Aber das Gefühl bleibt scheisse.

Dieser ganze Ablauf passiert auch nicht nur einmal, sondern mehrfach. Und einmal glaube ich fast, das wars. Bergauf, Linkskurve in den Wind rein, Zottl’s reifen drehen durch, der Wind schiebt uns nach rechts…alter…neben mir hören zwei auf zu watten, auch ich stelle das Atmen mal kurz ein und hoffe einfach nur, das etwas passiert, dass Zottl wieder Halt findet und wir durch diese verdammte Bergaufkurve kommen. Junge, junge…eine Fahrt die ich wohl nie vergessen werde. 

 

Irgendwie, fragt mich nicht wie, finden Zottls Winterreifen wieder Halt und wir würgen uns um die Kurve. So geht das über zig Kilometer. Das ist keine Fahrt, das ist ein Kampf gegen die Urgewalten des Wetters. Dabei ist, für hiesige Verhältnisse, vermutlich noch nicht mal schlechtes Wetter. Sonst wäre hier Kolonnenverkehr oder gesperrt. 

 

Immer wieder wechseln sich verschneite Piste, darauf finden wir gut halt, mit puren Eis Abschnitten, ab. Meine Konzentration ist voll auf die Straße gerichtet, das Lenkrand gut umklammert, das filmen aus dem Fenster eingestellt. Ich bin voll und ganz damit beschäftige, Zottle auf der Strasse und in Schwung zu halten. 

Einzig meine zwei Kameras im Cockpit bediene ich noch um alles irgendwie festzuhalten für das spätere Video. 

 

Der Kampf und unser Sieg enden ein paar Kilometer vor dem Nordkapptunnel. Wir erreichen wieder Meereshöhe, ohne jedoch irgendwie bergab gefahren zu sein. Ein seltsames Phänomen. Wir fuhren über Kilometer gefühlt nur bergauf und enden zwischen durch einmal und am Ende plötzlich auf Meereshöhe. Echt schräg! Muss der Nebel gemacht haben. Man verliert darin die Orientierung für hoch und runter. 

 

Als wir endlich in den Nordkapptunnel eintauchen, mache ich drei Bären. Co-Pilot und Friedrich, die Tunnel und tauchen nicht mögen, und das hier ist über 6 km tauchen unter Wasser, sind dennoch auch erleichtert und watten wieder. 

 

Wir haben herrlichen Asphalt unser Zottl’s Puschen, beste Traktion, kein Eis, kein Schnee, es geht ordentlich bergab, dann ein Stücke eben und anschließend heftig bergauf. So heftig, dass ich gegen Ende in den dritten Gang schalten muss um wieder Schwung zu bekommen. Echt krass, was die Norweger hier gebaut haben. Über 200 m unter der Wasseroberfläche, das ist echt n Ding.

 

 


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Kaum aus dem Tunnel raus, ist wieder voller Winter. Das Wetter ab besser. Kein Schneefall, bessere Sicht und jetzt besser langsamer, sonst schieße ich am Parkplatz vorbei. 500 m noch, dann links…

Wir schaffen es auf den Parkplatz, die Platz Suche ist jedoch schwierig. Der Platz schon länger nicht geräumt, Schneewehen überall. Einmal fahre ich mich fast noch fest, parke mich schlussendlich direkt neben einen VW T XY Transporter. Deutsches Kennzeichen, aber keine Anzeichen von Leben. 

 

Angekommen! Uff! Erstmal durchschnaufen und ein paar Kekse. Das war heftig. Hier bleiben wir nun auch, weiter fahren is nicht. 

 

Es ist Freitag, Sonntag wollen wir ans Nordkapp, von hier noch 50 km. Das geht locker. 

Den Rest des Nachmittags sitze ich am Laptop und schneide. Draußen immer wieder Schneefall und Wind. Wir haben es aber gemütlich und verbringen einen schönen Tag in Zottl. Zwischen den Schneeschauern laufe ich noch eine Runde über den Parkplatz, das wars dann aber auch für heute. 

 

Abends gibts Brot zu essen und ansonsten wird weiter geschnitten. Bis Mitternacht. 

 

 

Dann heisst es ab ins Bett und hoffen, dass die Weiterfahrt morgen etwas angenehmer verläuft als der Kampf heute.

Gute Nacht und viele Grüsse

Kai und ein ziemlich verschrecktes Team

 

Unsere Strecke heute, ca. 50 km:

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Kommentare: 3
  • #1

    Wolfgang (Donnerstag, 07 April 2022 11:54)

    Alles gut so wie es ist, mach nur weiter so, das ist der Grund warum ich deinen Kanal schaue. Schönwetterreisen kann ich selber, aber da will ich auch mal genau zu dieser Zeit und du beschreibst und zeigst es genauso wie ich es mir vorstellen, mal ganz toll, mal normal und manchmal eben nicht so gut.

  • #2

    Joachim H. (Donnerstag, 07 April 2022 19:21)

    Klar geht es da immer bergauf, schließlich sagt doch jeder "ich will HOCH zum Nordkap" :-)...
    Aber wer ein solches tiefgekühltes Outdoor-Frühstück aushält, den kann auch so eine Fahrt nicht aus der Bahn werfen!

  • #3

    Eike (Freitag, 08 April 2022 16:34)

    Moin Kai, ich verfolge dich jetzt schon eine ganze Weile… mach genau so weiter… das ist schlicht weg gesagt perfekt. Ich war selbst schon in Norwegen bei minus 17 Grad unterwegs und ja, dass geht auch mit nem Kastenwagen �. Auch deine Entscheidung, dem Bergwerk den Rücken kehren ist denke ich die richtige gewesen, mir fehlt dazu leider der Mut. Auf jeden Fall dir weiter hin viel Spaß auf deiner Tour durch Skandinavien. Ich war selbst schon einmal mit dem Motorrad am Nordkap, auch hin zu durch Finnland. Dazu kann man wirklich nur sagen das hatte für schon einen fast psychotherapeutischen Charakter, es ist eine Reise um wirklich einmal alles um sich herum zu vergessen. Wie gesagt ich wünsche dir weiterhin alles erdenklich gute auf deinen Wegen.. mach genau so weiter bitte��VG Eike