#5 Ich wandere, rede mir einen Wolf, sehe Geschichte brechen und töte

Schönen guten Morgen,

 

brrrrr....war das wieder eine kalte Nacht. Ich Idiot hab gestern Abend wieder nicht die Heizung angestellt. Warum? Tja, wenn ich es wüsste. So war es halt wieder recht frisch, und ich klaute meinem Co-Pilot seine Decke. Er hat das gar nicht gemerkt, mit seinem Fell, Schal und T-Shirt ist er eigentlich auch warm genug gekleidet. Mir hat es aber nicht sooo viel gebracht. Kühl war es trotzdem. So also der erste Schritt nach dem aufstehen: Heizung an. 

Immerhin weiß ich schon jetzt: die nächste Nacht wird mir nicht kalt sein. Denn: heute geht es wieder nach Hause...seufz. Aber eins nach dem anderen.

Heizung an! Check!

Blick vorne raus! Check!....wow...was n Blick auf den bereits in der Sonne liegenden Gletscher. Einfach ein gigantischer Ausblick für einen Sonntag Morgen. 

 

Bevor ich jedoch in Richtung Gletscher stürme, erstmal ein gutes Frühstück. Mit leerem Magen laufe ich nirgendwo hin. Da Sonntag ist, geht die Zeit in Zottl irgendwie noch schneller vorbei. Ruck-zuck ist es 11 Uhr und ich bin noch keinen Meter gelaufen. Echt schräg.

So gegen Mittag bin ich abmarschbereit. Drohne dabei, LG G4 (mit dem fliege ich) und G6 Handy (für Insta Fotos), Kabel, alle Akkus voll. Ich denke, ich hab alles. 

Jo, wenn ich jetzt nur schon wüsste was ich nachher feststelle.... Aber ich will nicht vorgreifen.

Los jetzt, ich halte mich links von den Gletscherseen, es geht gut bergauf auf die Gletschermoräne. Anschließend kommt ein Stück zum Luftholen und plötzlich sehe ich mit dem recht Auge einen kleinen Trampelpfad vom Hauptweg abbiegen. Kein Schild. Nix. Dies müsste der Weg zur Gletscherzunge sein. Wenn ich die Situation vor Ort mit der Komoot App Darstellung, die ich noch im Kopf habe, vergleich, dann sollte ich nun auf den Trampelpfad abbiegen. Gedacht getan, blinker rechts, schaun wir mal wo ich hinkomme. Hauptsache ich muss nicht alles wieder retour laufen weil ich falsch bin. Es geht jetzt nämlich etwas begab. 

Ich laufe, der Weg verliert sich etwas, ich überquere kleine Schmelzwasserbachläufe, mal etwas breiter mal schmaler. Nach einem heftigen Gewitterregen wollte ich hier nicht lang laufen. Das gäbe nasse Füße. So aber, nach der langen Trockenheit, springe ich wie ein junger Steinbock von Stein zu Stein oder latsche einfach durch das Rinnsal. Das geht sogar mit meinen Nike Turnschuhen. 

       

Immerhin verliere ich den Weg nicht ganz aus den Augen, wunderschön zu laufen, außer mir, keiner zu sehen. Wie schon gestern, gehen die "Seilschaften" alle in Richtung Hütte. Da oben muss der Teufel los sein. Logisch, von dort hat mein einen tollen Blick auf den Gletscher...aber dafür hab ich ja ne Drohne. :))


Wenig später zweigt ein kleiner Weg rechts ab und geht zu einem Aussichtsfelsen von dem man auf den Gletschersee und Gletscher schauen kann. Was für ein Anblick als ich dort eintreffe. Gewaltig! Ich glaube, an dieser Stelle könnte ich nachher das Skandinavien Fazit Video filmen. Schön ruhig mit toller Aussicht und genug (oder sogar zu viel) Licht. 


Aber jetzt erstmal die Drohne in die Luft. Ich packe alles aus, stelle die Drohne an und sehe, dass die Abdeckung vom Micro SD Karten Schacht runter hängt. Hm...wie konnte die sich denn lösen? Die hängt doch eigentlich nur runter, wenn....nee, oder??!! Das darf jetzt nicht wahr sein! Ich glaub ich flipp aus. Ich setze mich erstmal, schlag mit die Hand vor die Stirn und atme erstmal tief durch.

 

Was ist gesehen hab??? Nix! Und das ist ja das Problem. Die Micro SD Karte steckt nicht in der Drohne! Die steckt wohl noch im SD Karten Schacht des Laptops. Hab ja gestern die Daten gesichert weil ich geflogen war. Oh f****!!! Und jetzt? Was machen? Alles zurück laufen und wieder her kommen? Nicht fliegen? Mich in den Gletscherwassersee stürzen und ertränken?

 

NEIN! Weder das eine noch das andere! Streng Dein Hirn an, Kai!!! Es gibt irgend eine Lösung. Es MUSS eine geben. Ich denke....und es hilft. Mir fällt ein, dass ich im LG G6 Handy eine schnelle 32 GB Micro SD Karte stecken habe. Yeah! Die nehm ich!

Aber oh...das nächste Problem...wie bekomme ich die Micro SD Karte aus dem Handy? Ich muss ja, um die Micro SD Karten Halterung aus dem Handy herausziehen zu können, etwas spitzes in das kleine Löchlein stecken. Das nächste Problem also, welches einer Lösung bedarf. Heute mache ich es mir mal wieder nicht leicht!


Ich denke angestrengt nach, muss dabei aufpassen, dass ich kein Gras in Brand setzte, so sehr kocht mein Kopf während ich vor mich hin hirne.
Die Lösung: ich habe an meinem Schlüsselbund verschiedene Schlüsselringe. An einem hab ich ein kleines Schweizer Taschenmesser von meinen Citroen Händler in Schwyz. Das hat einen sehr kleinen und dünnen Schlüsselring. Ich mache das Messer ab, entferne den Schlüsselring und biege ihn etwas gerade und stecke das schmale Stück Draht in die kleine Öffnung am Handy. Es funktioniert, der Schacht kommt mir entgegen und ich kann die Speicherkarte entnehme. Puh...hoffentlich akzeptiert die Drohne die neue Karte auch. 

Micro SD Karte rein in die Drohne, alles auf ON und ab gehts. Hoch und weit. Da ich erhöht stehe, hab ich einen guten Blick auf die Flugzone. Ich fliege mit ND32 Filter da der Planet ordentlich vom Himmel brennt und es recht hell ist. Flug läuft problemlos.

20 Minuten später is die Operation Gletscherflug abgeschlossen. Jetzt heißt es absteigen zur Gletscherzunge. Nochmal so 15 Minuten downhill. Wieder über Bächli und Steine. Auch das meistern meine Schuhe und ich gut. 

Der Gletschersee ist relativ klein, eher schmal und lang. Der Gletscher endet direkt im See. Leider sieht man keine schöne Grotte wie z.B. am Steingletscher am Sustenpass. Dafür rollen hier permanent Steine von der Moräne ins Wasser. Durch die spezielle Akustik hört sich das immer gröber an, als es tatsächlich ist. 
Der Gletscher selber weißt überhaupt keinen Schneebelag mehr auf, man sieht bis oben das blanke zerklüftete Eis. 

Nachdem alle Aufnahmen gemacht sind, überlege ich, wie ich hier jetzt wieder weg komme. Den Weg, den ich gekommen bin, oder weiter entlang am kleinen See und dann dem Bachlauf runter zum Parkplatz folgen? Hm....ersteres nööö...letzteres auch nööö...ich will ja wieder da hin, wo ich Stand als ich die Drohne fliegen ließ. Möchte ja noch das Skandinavien Video machen.

 

Somit: von hier wo ich stehe einfach direkt Steil den Hand hoch, bis ich wieder auf den oberen Teil des Weges stoße, den ich vorhin hier her lief. Gedacht, getan. Schwitzend und schnaufend "klettere" ich den Hang hoch. Funktioniert gut und 10 Minuten später stehe ich wieder auf dem Weg den ich kam. Nochmal 10 Min später fühlt es sich an, als wäre ich nicht weg gewesen. Bin am Drohnenflugpunkt angekommen.

 

Ich setzte mich, stelle die Camera auf einen Stein und beginne zu labern. Über alles mögliche von meinen Skandinavien Trip. Route, Vorbereitung, alleine Reisen, Freistehen, Highlights, Kosten, Internet und noch das ein oder andere mehr. Fast eine Stunde bin ich zu Gange. Werde nur unterbrochen von einem Engländer mit seinem Sohn, einem Gletscherabbruch der ordentlich rumpelt und einer großen Spinne die mich erschreckt.....die den Tag dann leider auch nicht überlebt hat. Sorry dafür. War ein Reflex! Was lernt man daraus: mich also besser nicht erschrecken! :)

Das Fazitvideo ist ja bereits seit längerem online, aber auch schriftlich gibt es die Zusammenfassung hier als Download, zusammen mit dem Bericht des ganzen Trips.

Und wieder hab ich heute Glück: mit meinem letzten Fazit Satz, beginnt die Akku Anzeige auf leer zu springen. Feierabend hier. Ich packe meinen Kram und mache mich vom Acker. 35 Minuten später stehe ich wieder bei Zottl, es geht auf 16 Uhr zu. Der Parkplatz leert sich so langsam. Ich habe jedoch keinen Stress, aber einen sau Hunger. Daher erhitze ich schnell meine noch mitgenommene Bolognese und eine Packung Reisnudeln. 15 Minuten später: ich schaufel das Zeug in mich rein, verdammt heiß, aber egal. Ich verhungere gleich!

Nachdem auch diese Schlacht geschlagen ist, sichere ich noch die Daten, baue die Micro SD Karten wieder in die richtigen Geräte ein und denke so gaaaaanz langsam an Abschied. Der zieht sich jedoch noch sehr lange hin, erst gegen 19 Uhr bin ich abfahrbereit. Instagram, YouTube, Emails etc verlangten noch nach etwas Aufmerksamkeit von mir. Das frisst mal ganz schnell ein oder zwei Stunden. 

 

Um 19 Uhr, sage ich Tschö mit Ö und gebe Zottl's 163 PS die Sporen. Naja, eigentlich nicht, denn die nächsten 30 km gehts nur bergab. Gut hab ich die Bremsen nochmal gut geölt...haha... Es tröpfelt leicht lustlos vor sich hin als wir uns vom Acker machen, das erleichtert den Abschied etwas. 

Die Fahrt zurück ins Tal verläuft reibungslos. Kaum Verkehr, kaum etwas von vorne, alles ruhig an einem Sonntag Abend. Mein Plan ging also auf. War ein tolles Wochenende hier oben. Kann den Platz wärmstens empfehlen! Auch wenn es etwas kühl war.

 

Am Genfersee trifft mich fast die riesen Keule. Ein Sonnenuntergang der mit Worten schwer zu beschreiben ist. Keine Wolken in der Nähe der Sonne, ein roter Himmel, der Feuerball klar zu sehen durch etwas Dunst. Ein absoluter Wahnsinn. Am perfekten Spot gibt es leider keinen Autobahnparkplatz, ich muss noch 5 km warten. Nicht mehr ganz perfekt, weil die Spiegelung im Wasser des Genfersees fehlt, aber noch immer ein Stopp und Foto wert. Ein Wahnsinn dieser Anblick. Perfektes Timing heute. 

Auch später noch, als ich gen Fribourg fahre, ist der Himmel noch immer blutrot. Was für ein Anblick! Ich lasse die GoPro mitlaufen und hoffe, dass ich in der Nachbearbeitung die Farben schon herausarbeiten kann für das YouTube Video.

Gegen 23 Uhr komme ich nach Luzern und entsorgen dort an der Autobahntankstelle. Naja, ich versuche es zumindest: denn als ich die Toilettenkassette schon schräg stehen habe, merke ich, dass der Abfluss der Entsorgestation komplett verstopft ist. Mein Grauwasser hat das System schon geflutet und fast zum überlaufen gebracht. Klar ist, die Verstopfung kommt nicht von mir, die bestand schon. Schnell den Grauwassertank zu, Toilettenkassette wieder verräumen und nach Zug zum entsorgen. Das kostet mich wieder einen Haufen Zeit. Ist aber die einzige Möglichkeit.
Vor Zug entsorge ich dann problemlos. Um Mitternacht rollen wie alle zu Hause auf den Parkplatz. Langer Tag, jetzt noch Ausladen und dann aber ab ins Bett. Morgen ist Montag.

In diesem Sinne wünsche ich eine gute Nacht und schnelle Erholung.

Viele Grüsse
Kai

 

GPS Koordinaten:
Moiry Gletscher, oberer Parkplatz: 46°06'23.3"N 7°34'43.5"E  //  46.106463, 7.578757
E
ntsorgung Luzern: 47°06'37.7"N 8°14'04.1"E //  47.110466, 8.234475

Entsorgung Zug: 47°13'38.2"N 8°27'44.7"E  //  47.227268, 8.462425

 

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