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#106 Allein unterwegs - Wir hängen!

Hallo zusammen,

 

schönen Nachmittag aus Derendingen. Nach meinem letztwöchigen Trip mit Dirk von DIHUTV war ich nur kurz am Sonntag zu Hause.

 

Neu beladen und sofort weiter nach Lausanne. Montag Meeting in Genf. Dienstag Meeting in Lausanne. Mittwoch Büro Zürich, somit in der Nähe genächtigt. Donnerstag und Freitag Aufenthalt in Derendingen. Eine volle Woche Business Freistehen! Fantastisch!!! Eine tolle Woche, arbeiten und wohnen und reisen in Zottl.

 

Meine beiden Mitreisenden haben die Woche ziemlich verschlafen. Sie sind noch immer im Winterschlafmodus und nur wach, wenn es unbedingt sein muss. Und jetzt, mit Mütze, Schal und Handschuhen plus Zudecke, haben sie es auch wunderschön warm in Zottl. Selbst wenn ich die Heizung auf 12°C stelle wenn ich nicht im Haus bin.

 

Soweit also meine Woche. Viele Kilometer gemacht, an schönen Plätzen gestanden und es genossen. Doch nun ist Wochenende. Um 17 Uhr fahre ich in Derendingen (Aargau) ab. Das Wochenende häng ich logischerweise auch noch dran. Und zwar alleine. Ich brauche dringend mal wieder einen Trip ganz alleine. Versteht das bitte nicht falsch, ich liebe es, mit Freunden unterwegs zu sein. Aber ich BRAUCHE zwischendurch Solo Trips. Für meine Seele, für meine Ruhe und zum genießen und runterkommen.

 

Lange hab ich überlegt wo es am Wochenende hingehen soll. Soooo weit will ich nicht fahren. Hab ja schon während der Woche Kilometer gebolzt. Wohin also? Direkt hier rund um Derendingen in die Berge? Hm…oder doch weiter fahren? Hm…


Ich suche mir zwei Tage einen Elch…bis ich entscheide…es wird der Vierwaldstättersee. Auf meiner Google Maps Suche bin ich auf ein Seitental gestoßen, dass sehr interessant aussieht. Das Isenthal. Liegt quasi über dem Seelisbergtunnel. Ziemlich abgeschieden. Und ein Stück oberhalb der Gemeinde Isenthal spotte ich einen Übernachtungsplatz. Hm…es ist Winter….wie ist da wohl die Schneelage? Aber wir haben ja einen schneearmen Winter, vielleicht ist ja alles frei… Wer nix wagt, der nix gewinnt. Wir schauen uns das an.

 

Dumm ist, dass ich erst um 17 Uhr in Derendingen los komme. In Altdorf muss ich noch einkaufen. Mein Standard Lidl…aber die ham das Teil umgebaut. Ich lauf rum wie ein Zombie auf der Suche nach dem was ich brauche…Raclette Käse…Milch…Fleisch…Brot…Schwarzwälder Schinken…Äpfel…huch...M&Ms… So die wichtigsten Dinge zum Überleben halt.

 

Schon als ich bei Lidl auf den Parkplatz fuhr, war es dunkel. Als mein Einkauf eingetütet ist, ich rauskomme…ist es noch immer dunkel. Oh je, was gibt das jetzt für eine Anfahrt?!

 

Motor an weiter. Erst ein Stück am Vierwaldstättersee entlang bis kurz vor dem Strandbad Isleten. Vorher dann links…und da begrüsst mich ein Schilderwald. Um den zu verdauen, bleib ich erstmal stehen. Verbot für Fahrzeuge über 3,5 Meter Höhe…18 Tonnen…Postbus fährt hier noch, man soll auf den Zeitplan des Busses achten, so dass man ihm nicht in die Quere kommt…gut…in der Zeit, in der ich die Schilder studiere, fahren zwei Auto an mir vorbei, hoch auf den Berg.

 

Ich lege, nach Beendigung meines Schilder Studiums, den ersten Gang ein und sage mir: wird schon schief gehen. Hoch da!

Schon nach den ersten Metern wird klar, eng hier. Uns begrüsst eine aus dem Fels gehauene Durchfahrt und anschließend haben sie die Straße in den Berg gehauen und einen Überhang stehen gelassen. Alter Schwede… Über einige Kehren schrauben wir uns immer höher, unter uns der Vierwaldstättersee, auf der anderen Seite Felswand. Vor uns eine schmale Straße. Was bin ich froh, fahr ich einen schmalen, wendigen Kasten.

 

Kurz drauf findet sich unser Team in einem Tunnel. Ausgebaut wie auf einer normalen Landstraße, zweispurig, breit…wie in einer anderen Welt. Kaum gefreut, sind wir schon raus aus dem Tunnel und es wird wieder eng. Nach einigen Höhenmetern, haben wir den Anstieg geschafft und fahren nun durch eine enge Schlucht hinter in Richtung Tal. Vermute ich zumindest mal, denn es ist stockdunkel.

 

                

Die Strecke windet sich am Hang entlang, man kann nur erahnen wie es rechts runter geht. Der Vorteil bei nächtlicher Fahrt: ich seh anhand der Scheinwerfer, wo ein Auto entgegen kommt und kann mir immer frühzeitig eine Haltebucht suchen. Dennoch, es wäre mir lieber, führe ich hier bei Tag. Nicht mal der Mond begleitet uns. Es ist stockdunkel.

 

Nach ca. einem Kilometer weitet sich die Schlucht und ich sehe erste Häuser. Wir haben Isenthal erreicht, fahren bis zur Kirche und fast verpasse ich den Linksturn hier. Doch der aufmerksame Co-Pilot weist mich auf seine charmante Art hin, dass wir hier besser links fahren sollten. Na dann machen wir das mal. Was jetzt wohl kommt? Knapp 3 km sind es noch. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich…ist das wirklich eine gute Idee, was wir hier so ganz alleine treiben?

 

Weiter!

 

Über eine ziemlich schmale Brücke, hoffentlich hält die uns, fahren wir noch ein Stück durchs Dorf, an öffentlichen WCs vorbei bis….hä…da steht ein Schild, das besagt: ab 2,8 km wird die Straße Gebührenpflichtig. Berechtigungen kann man in verschiedenen Restaurants und Läden in Isenthal kaufen. Kurz überlege ich. Jetzt das entsprechende Restaurant suchen? Laden hat sicher schon zu! Mit Zottl hier durch die engen Gassen navigieren? Nee, vergiss es, Navi sagt, mein Zielort ist 2,7 km weg. Liegt also VOR der Gebührenpflichtigen Straße…denke ich…ein Denkfehler wie sich herausstellen wird. Co-Pilot hat wieder n Scheiß zusammen navigiert…

 

Ich beschließe also: weiter!

 

Puh, aber was ich erblicke, lässt mich ein wenig erschauern. Einspurig geht es hier steil, und zwar richtig steil den Berg hoch. Ich schätze sicher 20%. Hab ich schon erwähnt dass es stockdunkel ist? Immerhin liegt hier unten kein Schnee, also los. Im ersten Gang tuckert Zottl den Berg hoch, er packt das locker, dann die erste 180° Kehre. Weiter steil hoch, links keine Sicherung, unten sehe ich die Lichter des Dorfes. Neben uns geht es steil runter. Jetzt ein Fehler und wir sind weg. Ich konzentriere mich aufs Fahren, keinerlei Streckensicherung links. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Jetzt bloß keinen Scheiß machen, nicht ablenken lassen, denke ich, als ich die Kameras anschalte, filme und rede.

 

Nach der nächsten Kurve, weiter steil bergauf, geht es wieder in den Wald. Puh…immerhin kein freier Fall mehr. Und lass uns hier bitte niemanden entgegen kommen. Kaum Ausweichstellen. Der Schnee seitlich der Strecke wird mehr. Der wird ja wohl hoffentlich nicht auch noch irgendwo auf der Straße liegen? Immerhin haben wir +2°C…hoffe der Boden weiß das auch und das Wasser gefriert nicht.

 

Und als wäre das nicht schon alles spannend genug. Kommt jetzt noch eine Streckenführung dazu, die dem Co-Piloten die Watte gefrieren lässt. Wir müssen durch eine enge Galerie, über eine schmale Brücke und an scharfkantigem Fels vorbei. Nix für schwache Nerven. Eng ist es.

Doch wenn ich wüsste, was mir noch bevor steht, würde ich diese Passage entspannter nehmen. Wären wir länger oder breiter, wäre hier Schluss. Ein TI kommt hier eher nicht mehr durch. Also tut euch einen gefallen und versucht nicht, hier mit etwas breiterem hochzufahren. Hier stecken bleiben wäre ein Alptraum.

Wir kommen in langsamer Fahrt durch. Danke Zottl für deinen Schlanken Hintern! Wir können durchatmen, es geht wieder durch Wald bergauf. Der Schnee links und rechts wird immer mehr. Doch die Straße bleibt frei davon und wir kommen gut voran.

 

Nach gefühlt tausenden von Höhenmetern, kommen wir aus dem Wald und sehen auf einer großen Wiese ein riesen Haus stehen…immer wieder verblüffend, wo noch gebaut wird. Ein Bauernhaus natürlich, umgeben von weißer Schneelandschaft und Bergen. Sehr idyllisch. Wir fahren dran vorbei, sehen mit dem linken Auge eine vom Schnee freigeräumte Stelle etwas oberhalb vom Haus am Rande des Wege und fahren weit….oh…stopp!! Ein Schild! Fahrverbot! Weiterfahrt nur mit Bewilligung. Ja Scheiße, Google hatte doch gesagt, unser Ziel liegt vor der Zahlstraße. Doch jetzt heißt es auf Google, es sind noch 700 m. Verdammte Axt! CO-PILOT!!!!

 

Soll ich jetzt die Killerstrecke wieder ins Tal fahren und ne Bewilligung kaufen? Oder ohne Bewilligung hochfahren? Es ist 20 Uhr….da kontrolliert heut niemand mehr. Einen offensichtlichen Zahlautomat finde ich hier nicht. So schimpfe ich vor mich hin, warum sie nicht einfach einen aufstellen. Dabei übersehe ich etwas in der Dunkelheit…doch dazu morgen mehr.

Meine Entscheidung: weiter! Zahlen kann ich auch nachträglich noch, wenn ich morgen wieder durchs Dorf zurück fahre.

 

Gang rein, weiter, berghoch, durch Wald, über eine kleine Kuppe. Dann sehe ich eine schmale Brücke und nach der Brücke…fuck..was ist das denn….es geht alles so schnell, dass ich keine wirklich Zeit zum überlegen habe. Schwung holen? Stoppen? Ich fahre einfach…über die Brücke und zack…haben Zottl's Winterreifen Schnee/Eis unter den Puschen. Erst dann schaltet mein Hirn und ich halte an. Vor mir liegt ein schmaler Weg, bedeckt mit Schnee. Autos sind hier schon gefahren, auch geräumt wurde er, aber nicht bis zum Boden. Es liegen so 5-10 cm befahrener Schnee rum. Nicht richtig festgefahren, teils aufgewühlt. Das Navi sagt, es geht in genau diese Richtung weiter. Links von mir ein kleiner freigeräumter Platz. Was machen?

 

Weiter!

 

      

Gang rein, Traction+ an und Gas. Wir kommen bei leichter Steigung vom Fleck, gut… Der Weg ist übel. Zottl’s Reifen kämpfen damit, in der Spur zu bleiben. Wenn ich hier von der Spur rutsche, häng ich im Tiefschnee und bin ziemlich am Arsch. Wir kämpfen uns 150 Meter weit. Dann ist Schluss. Keine Traktion mehr. Der Schnee ist eisig, wenig Grip…Zottl’s Frontläufe drehen durch. Wir stehen. Es geht nicht weiter. Verdammte Scheiße! Was mache ich hier eigentlich?? Bin ich bescheuert so einen Weg zu fahren…oh Kack!

Mutterseelenalleine, am Ende des Tals, stehen wir im Schnee und Fragen uns in stockdunklen: was nun?!
Co-Pilot, Friedrich? Irgendwelche Ideen vielleicht?

Ketten aufziehen?

 

Hm…eng hier, aufgehäufter Schnee links und rechts. Das bei Nacht und Nebel, nicht wissend wie (steil) die Strecke weitergeht? Ich wäge ab. Und entscheide: NEIN. Keine Ketten. Somit bleibt nur eins: rückwärts die  150 m zurück. Erschwerend kommt hinzu, die Strecke beschreibt eine leichte Rechtskurve. Oh verflucht! Ein Fehler, ein Wegrutschen und wir hängen richtig in der Scheiße.

Der Weg ist schmal, gerade so breit wie Zottl. Wenn ich mit der Hinterachse in den Tiefschnee komme, ist der Ofen aus. Ohne Traktion komme ich vorwärts dann nicht raus. Würde eher riskieren, dass die Vorderreifen auch in den Tiefschnee abgleiten.

 

Oh man. Da ist Druck im Kessel. Jetzt keine Fehler. Neben mir merke ich, wie Co-Pilot und Friedrich sich angespannt in Zott’s Sitz drücken und uns wohl schon komplett im Schnee versinken sehen. Na Jungs, so schlimm wird’s (hoffentlich) nicht werden.

 

Rückwärtsgang rein und los. LANGSAM. Beobachtend durch beide großen Spiel behalte ich die Schneekante des Wegs im Auge. Über den Monitor der Rückfahrkamera den Weg. Etwas mehr Licht hinten wäre nett. Vielleicht kauf ich mich doch noch einen starken LED Batterie Strahler mit Magnetfuß für solche Aktionen.

Verdammt Kai, hör auf mit den Gedanken abzuschweifen, schreit mein Hirn mir zu. Konzentrier dich auf die Schneekante. Bedenke die leichte Rechtskurve des Wegs!

 

Und ja, Mist, hinten links bin ich zu nah am Tiefschnee, ich korrigiere, komme dafür vorne etwas näher an die Kante, merke wie Zottl vorne links etwas absackt…doch er verliert nicht an Traktion. Langsamer als Schrittgeschwindigkeit rollen wir rückwärts. Immer wieder der Blick vor allem in den linken Außenspiegel. Zum Glück reflektiert der Schnee das wenige Licht von Zottls Rückfahrfunzel gut. Und irgendwann, nach einigen Schweißperlen, sehe ich den frei geräumten Platz bei der Brücke. Aber der ist abschüssig.

 

Wenn ich da jetzt zum Drehen rückwärts drauf fahre, komm ich vielleicht nicht mehr weg. Vorderachse entlastet, kein Grip. Der Platz ist zwar geräumt, aber nicht vollständig. Es liegt Schnee drauf. Somit entscheide ich, vorwärts drauf zu fahren um dann, mit Druck auf der Vorderachse, rückwärts wieder rauszufahren und dann vorwärts wieder über die Brücke und den Berg runter.

 

Und zack stehe ich vorwärts auf dem Platz, ziehe die Handbremse und steige aus. Ich muss hier mit Schwung wieder rausfahren und da will ich wissen, wie viel Platz ich nach hinten habe. Bewaffnet mit Christian (meine Taschenlampe) geht es vor die Tür. Puh…schräg hier…nach hinten aber genug Platz. Mit voll eingeschlagenen Rädern komm ich her rückwärts gut wieder auf den Weg...wenn Zottl's Reifen Traktion habe...

 

Also, wieder rein in Zottl. Jetzt bitte keine durchdrehenden Reifen Zottl. Du musst das packen! Ich hab keine Lust, wegen 5 Metern noch Schneeketten aufzuziehen. Es ist dunkel, ich müde, hungrig und kaputt.

 

Rückwärtsgang rein…Kupplung kommen lassen, langsam anfahren, jaaaa….Grip….Zottl bewegt sich…rückwärts würgen wir uns aus der Parkbucht, gegen den Berg. Ich gebe mehr Gas, er beschleunigt, behält den Grip…. YES…wir sind frei…wieder auf dem Weg. 1. Gang rein, über die Brücke und wieder Asphalt unter den Puschen.

 

Das Team atmet erstmal tief durch. Puh…das war haarig…und wohin jetzt? Erstmal bis zum letzten Fahrverbotsschild, da war doch ein kleiner freigeräumter Parkplatz. Als wir da ankommen, rangieren wir rückwärts drauf, stehen zwar zur Küchenseite sehr schräg, aber was solls. Ich stand schon schräger. Wir bleiben genau hier! Motor aus. Stille!

 

Die Augen gewöhnen sich schnell an die Schwärze draußen und so langsam kommen die Sterne….viele Sterne…wow…toller Himmel…und schemenhaft sind die weißen Berge zu sehen. Das muss bei Tageslicht sau geil aussehen, denke ich. Verlasse den Fahrersitz, drehe die Herren Friedrich und Co-Pilot mit ihrem Sitz in Richtung Dinette und bereite das Abendessen vor.

 

Kartoffeln kochen, Raclette Stövchen aufbauen, Kerzen an, Schinken auf den Tisch, Oliven dazu. 30 Minuten später liegt die erste Scheibe Raclettekäse auf dem Stövchen und schmilzt vor sich hin. Ein Festmahl nach dem Kampf heute Abend. Bei geöffneter Dachluke zieht der meiste Käsegeruch hoffentlich nach draußen.

Co-Pilot und Friedrich sehen noch immer etwas unentspannt aus. Ich schiebe es auf den Käsegeruch den sie nicht mögen.

 

Zum Essen gibt’s lecker Starkbier von Markus. 7,5%...die kann ich brauchen, stehen wir doch mit einer Neigung von 12% hier am Berg. Wenn man das gegeneinander aufrechnet, ergibt das eine verbleibende Neigung von 4,5%. Damit kann ich gut leben.

 

Den restlichen Abend verbringe ich mit meinem Schnittprogramm Magix 2019, gehe noch zum Fotografieren vor die Tür und liege gegen Mitternacht im schrägen Bett.

 

Was für ein Tag….und gute Nacht.

 

Viele Grüsse

Kai

 

GPS Koordinaten:

Isenthal wo ich hin wollte: 46.886466, 8.554937

Isenthal wo ich übernachtete: 46.890765, 8.555866 



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