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#141 Uri, Klausenpass - Nächtlicher Unruhe

Hallo zusammen,

 

Freitag….ich bin schon aus dem Stollen raus, aber noch nicht fertig. Ich muss noch auswärts ein paar Steine klopfen. Glücklicherweise schon in Richtung Wohnort, so dass ich heute weder von Zürcher Stau gesegnet werde noch von zu lange rumarbeiten im Stollen. Beste Voraussetzungen für einen schönen Start ins Wochenende.

Das auswärts Steine klopfen funktioniert auch prima, im Anschluss noch Einkaufen…ah…nee, doch nicht…mach ich nachher mit Zottl. Besser schnell nach Hause, Zottl fertig laden, die Mitfellreisenden wecken und dann Abflug. Oh…Stopp…muss ja noch Wasser füllen. Puh…noch einiges zu tun!

 

Zu Hause angekommen, Nummernschilder als erstes vom Skoda an Zottl, dann alles einräumen (Laptop, Kameras, Wasser, Kleidung, Handtuch, neue Jacke….) und gaaanz zum Schluss laufe ich noch dreimal mit je einer 10 Liter Gießkanne in den Händen meine über 50 Stufen hoch und runter. Wäre das Thema Sport also auch schon abgehakt für heute.

Abfahrt!

Stimmung ist gut an Bord, aber Co-Pilot will wissen, wo es hingeht. Tja…mein Bester…wir fahren endlich mal wieder auf einen Pass. Diesmal soll es der Klausenpass im Kanton Uri sein. Mit Zottl noch nie gewesen, dabei gerade mal ne Stunde Fahrt weg von zu Hause. Das Wetter fürs Wochenende ist mies vorausgesagt, eher auf der Kühlen und regnerischen Seite. Ich mache mich also darauf gefasst, viel Zeit gechillt in Zottl zu verbringen.

Tjaaaa….gut weiss ich noch nicht, was mir tatsächlich blüht…

 

So tuckern wir am Vierwaldstättersee entlang, nicht viel los. In Flüelen geht’s einkaufen und schon sind wir wieder on the Road. Ach, wie ich es liebe. Ein Solo Wochenende ist doch immer wieder was feines so zwischendurch.

Ich lebe nach meiner Uhr, keine Rücksicht, keine Kommunikation, keine Verpflichtungen oder Absprachen. Völlig entspannt einfach. Wobei ich mich auch schon wieder auf nächstes Wochenende freue wenns in die Pfalz geht zu Freunden. Bei mir macht es die Mischung, mal mit Freunden, mal alleine im Team.

 

In Altdorf an einem der Kreisel zeigt das Schild dann gen Klausenpass und wir folgen. Den Pass selber kenne ich gut, schon zig mal mit dem Motorrad gefahren. Daher weiss ich was uns blüht.

Das Gute: bei dem grauen und regnerischen Wetter ist nix los auf den Straßen. Ich sehe keine anderen Campingfahrzeuge und auch PKW sind kaum unterwegs. Der klare Vorteil, wenn man bei regnerischen Wetter abfährt, man hat die Einsamkeit als Belohnung.

 

                

Wir kämpfen uns erstmal am Talboden hinter ins Tal bis dann in Unterschächen der tatsächliche Passanstieg beginnt. Wir gewinnen flott an Höhe, keine Serpentinen, es geht einfach stetig bergauf am Berg entlang. Später gibt es eine weite 180° Kurve und man fährt in die andere Richtung den Berg entlang weiter. Nur das rechts von einem dann bald nix mehr ist außer freier Fall. Ein dünnes Geländer sichert zwar….aber das hält nicht wirklich was aus. Daher, Augen auf die Straße.

Ja…schön wärs…muss ja filmen, der Co-Pilot weigert sich, ist ihm zu unheimlich, also muss ich mit verlängertem Arm die DJI Osmo Action aus dem Beifahrer Fenster halten. Der Co-Pilot guckt böse, glaub er hat Angst, dass er rausfallen und abstürzen könnte. Er sitzt nämlich heute etwas in erhöhter Position auf meinem Cockpit Vorhang. Der ist frisch gewaschen, doch niemand hatte bisher Lust, ihn wieder aufzuhängen. Das steht für heute Abend noch an. Vorher kann ich nicht pennen gehen.

 

So schlängeln wir uns an dem Abhang entlang, schmal ist es immer wieder, Fels links mit Überhangen. Maximalbreite 2,3 m. Eine gewaltige Aussicht auf einen gut bewässerten Wasserfall gibt es und wenig Verkehr. Zum Glück! Wer nicht schwindelfrei ist, sollte hier besser nicht lang fahren. Der ein oder andere Raser ist hier auch schon mal abgeschmiert…freier Fall, dann Aufschlag…tot! Sehr simpel!

 

Nach 3 km verlassen wir den Abgrund, fahren wieder an Wiesen vorbei, machen weitere Höhenmeter und noch ein paar Kurven, passieren das Hotel Passhöhe, das gar nicht auf der Passhöhe steht, fahren noch n Km weiter und zack…was sehen meine Augen…oh wie geil…hey…n neuer Parkplatz wurde angelegt, aber noch geiler: KEINE SAU DA! Mit 1 oder zwei anderen hatte ich innerlich gerechnet, aber nein, niemand!! Wir haben, stand 19 Uhr, den Pass für uns alleine. Und das ändert sich auch nicht mehr. Es kommen zwar noch PKW vorbei, viele Oldtimer. Aber die hauen alle wieder ab.

 

Wir sind angekommen. Suchen uns einen schönen Platz, leicht schräg, aber mit toller und unverbaubarer Aussicht. Jackpot…bis auf das Wetter!

 

Schnell mal vor die Tür, etwas umschauen, Bilder machen, filmen…frisch hier. Gerade mal 7 Grad. Gut hab ich schön Diesel an Bord und kann es mir nachher gemütlich machen. Denn genau deswegen bin ich ja hier: ein gemütliches Schlechtwetter Wochenende…

 

Oh man…wenn ich wüsste….

      

Und da es doch schon etwas spät ist, wird es Zeit,  Nahrung zuzuführen. Das Wetter ist herbstlich kalt…daher gibt es eigentlich nur eins was hilft: Mal wieder ein Raclette! Käse, Schinken Kartoffeln, Teelichter mit Magneten gepimpt, so dass sie nah an die Käseschaufel kommen. Und als nach 20 Minuten die Kartoffeln endlich fertig sind, wird gespachtelt. Lecker! Dazu ein gutes Hörbuch und ruhige Gesellschaft von Co-Pilot und Friedrich. Und was ich feststelle,  der Van stinken nicht übel nach Käse. Ich lasse die ganze Zeit das Dachfenster einen Spalt auf und heize gut.

 

Und so vergeht ein unspektakulärer Abend. Irgendwann ist Mitternacht, draußen ist es trocken, der Mond muss hinter irgendeinem Berg scheinen, es ist nicht ganz dunkel. Ich würd gern ins Bett, muss aber noch meinen Vorhang aufhängen.

Kurz nach Mitternacht mache ich mich an die Arbeit. Und wie ich so an den Haken des Vorhangs rumfummel, bemerke ich ein Auto, das mit ziemlich überhöhter Geschwindigkeit von der Passhöher an mir vorbei in Richtung Tal fährt. Also die Strecke, aus der ich kam.

Ich schaue ihm durch das Fahrerfenster hinterher und denke mir noch…Rasen auf nem Pass, bei Nacht…man, man, man…und dann, kurz bevor der PKW um eine Kurve und aus meinem Sichtfeld biegt, sehe ich, wie es üble Funken schlägt. Durch das wenige Mondlicht erkenne ich, dass der PKW über eine Bodenunebenheit rauscht und sich dabei den Unterboden enorm anschlägt. Wow, heftig…dann ist er auch schon um die Kurve und ich mache mit meinem Vorhang weiter. Ich meine noch ein Quietschen gehört zu haben, aber kein Wunder. Wenn ein PKW so durch ne Kurve rauscht, quietscht es schon mal.

 

Der verdammte Vorhang beschäftigt mich eine ganze Weile, muss ihn teils nochmal abnehmen, weil ich einen Fehler gemacht hatte beim Aufhängen, beginne nochmal…eine scheiss Arbeit.

Als ich damit fertig bin, lasse ich mich erstmal auf der Dinette Bank nieder…Beschäftige mich nochmal mit einem Video…bis ich plötzlich ein komisches Geräusch höre. Hm…hört sich an wie…ja…die Dinger die in der Luft stehen können…genau, Hubschrauber. Ich schaue raus und sehe ein Licht am Himmel das langsam näher schwebt. Hm…was will denn um diese  Uhrzeit ein Hubschrauber hier?

Wollen die zu uns…auf jeden Fall fliegen sie brav weiter in unserer Richtung. Suchscheinwerfer wird irgendwann aktiviert…oookayyy…. Eine nächtliche Übung?

 

Ich schnappe mir schnell meine Jacke, Kamera, wechsel das Objektiv und trete vor Zottl. Der Hubschrauber geht in den Sinkflug und hält auf die Kurve zu, hinter der vorhin der PKW verschwunden ist…hm… Dann ist er aus meinem Sichtfeld verschwunden, aber scheint auf der Straße hinter der Kurve gelandet zu sein. Seltsam! Alles wieder ruhig.

Ist das ein Rettungsheli? Ist der rasende PKW möglicherweise verunfallt? Wie lange ist das jetzt her, dass der mit Funkenflug um die Kurve gequietscht ist… 20 Minuten vielleicht?

Wie es der Zufall will, geht hinter Zottl ein Weg entlang dem ich ohne Probleme folgen kann. Ich bewege mich auf die dem scheinbaren Unfall gegenüberliegende Bergseite und sehe nach ein paar hundert Metern den Heli auf der Straße sehen. Für mehr ist es zu dunkel. Doch das soll sich ändern.

Im Tal weiter unten sehe ich Blaulicht. 15 Minuten später ist der Unfallort hell ausgeleuchtet. Polizei, THW(?), Rettungswagen. Alles was blau blinken kann ist am Start. Ich fotografiere und filme das Szenario. Nicht wissend ob die Aufnahmen was werden und ob ich sie je verwende. Aber ich hab sie auf jeden Fall mal auf Speicherkarte. Beim heranzoomen sehe ich, dass ein PKW auf dem Dach liegt. Ein ganzes Stück weg von der Kurve wo es aus meinem Blickfeld verschwand.

Die Passstraße wird gesperrt, die vereinzelten nächtlichen PKW die über den Pass wollen, müssen warten.

 

Nach weiteren 15 Minuten macht der Heli sich startklar, hebt ab und fliegt runter ins Tal gen Altdorf. Ich mache mich auch zurück auf den Weg zu Zottl, wünsche den wegfliegenden Passagieren noch gute Besserung und liege um halb 3 Uhr im Bett. Puh…langer Abend!

 

Gute Nacht und bis morgen.

 

Liebe Grüsse
Kai

Anmerkung:

Einen Tag später steht in der Zeitung, dass ein 19-jähriger mit Alkohol im Blut hier verunglückt ist. Er wurde schwer verletzt, sein Beifahrer blieb unverletzt. Tja, was soll ich da noch sagen. Glück hatten sie, denn der Wagen blieb auf der Straße liegen und stützte nicht noch den Abhang runter. Es hätte also durchaus übler ausgehen sollen. Mitleid…hab ich nicht wirklich. Wer betrunken rast, muss mit den Konsequenzen leben. Nur gut haben sie nicht noch andere Verkehrsteilnehmer in Mitleidenschaft gezogen.

 




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Kommentare: 1
  • #1

    Joachim H. (Sonntag, 28 Juni 2020 20:24)

    Tolle Bilder, Kai! Und es mag makaber klingen, aber gerade die nächtlichen Unfallbilder sind fast schon Kunstwerke (ich glaube, Katja würde Dich loben)!