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#116 Graubünden - Safien Tal, am Ende der Welt stehen wir vor einem Problem!

Hallo zusammen,

 

Es ist Corona Zeit...nein, nicht das Bier, der Virus. Es ist das dritte März Wochenende 2020. Was soll ich machen am Wochenende, geht mir während der Woche durch den Kopf? Es gibt keine Ausgangssperre, kein Reiseverbot. Es gibt den Rat, zu Hause zu bleiben. Gut....hm....was fang ich damit nun an?

Ich habe die letzten Wochen all das nicht gemacht, was ein anderer Großteil der Bevölkerung tat:

1. Einkaufen wie bescheuert um ja für den nächsten Atomkrieg Lebensmittel im Keller zu haben.

2. Klopapier Mengen horten, als könnte man es essen.
3. Für Desinfektionsmittel anstehen und mich dabei einem hohen Infektionsrisiko aussetzen und es jenen Menschen vor der Nase wegkaufen, die wirklich darauf angewiesen sind

4. Ausgehen, in Gruppen zusammen stehen, Party machen, unter Menschen sein.

 

So, also all das tat ich nicht!

 

Was ich tat: ich entschied mich, dieses Wochenende nochmals alleine auf eine kleine Reise zu gehen. Nach drei Tagen alleine im Home Office und einem einsamen Geburtstag, packe ich also am Freitag Nachmittag Zottl und haue ab. Nun ich...naja, nicht ganz. Co-Pilot, Friedrich und Flauschy sind mit dabei.

ACHTUNG: wenn ihr jeglichen Humor verloren habt aufgrund der Corona Krise, dann hört jetzt GENAU HIER auf zu lesen. Geht auf eine News Seite und schaut euch den letzten Corona Horror an oder lest ein Buch, schaut TV oder chillt. Ist okay, hab ich Verständnis für! Manche trifft die Corona Situation sehr hat, und das tut mir unsagbar leid. Doch meine Welt dreht sich weiter und auch dieser Blog geht weiter.

 

Gut, für alle, die noch einen Rest Humor übrig haben, herzlich Willkommen...wo war ich...ach genau, bei Flauschy. Was macht die denn jetzt bei uns im Bus? Ganz einfach:
Flauschy hat die letzten 14 Tage einen Online Anit-Corona-Virus Kurs absolviert.... 

WARNUNG: solltet ihr doch weiter gelesen haben und jetzt merken, dass nicht genug Humor übrig geblieben ist, HÖRT BITTE JETZT AUF ZU LESEN! Ich persönlich kann nicht anders, ich muss das so schreiben. Es muss raus, vielleicht ist das meine Art, so eine schlimme Zeit zu verarbeiten. Ich will hier aber niemanden verletzen oder gegen mich aufbringen. Wer mich kennt, weiss, dass das nicht meine Art ist. Aber ich MUSS solche üblen Themen mit Humor betrachten, sonst dreh ICH durch). Und niemand wird gezwungen, dies hier zu lesen!

Gut, wo war ich....genau, also, sie hat diesen Kurs absolviert und weiss genau worauf zu achten ist:


- Abstand zu Menschen (Social Distancing....das (Un)Wort des Jahres 2020 wahrscheinlich)
- Hände bzw Tatzen waschen und desinfizieren
- vorsichtig sein, dass man sich nicht verletzt oder verunfallt, ins Spital muss usw.
- keine Hamster kaufen

- nicht zu nah an Schlangen stehen...
...und noch das ein oder andere mehr

Sie wird uns also immer daran erinnern, was zu beachten und zu tun ist in den jeweiligen Situationen. Gut, wenn man so einen Profi mit an Bord hat!

Zottl ist also gepackt, wir fahren ab. Müssen aber noch einkaufen. Aber wo? Schlange stehen aufgrund von Dosiersystemen bei COOP und Migros? Nee, wir statten unserem lokalen VOLG in Sattel einen Besuch ab. Nix los, kein Schlangestehen, nette Verkäuferinnen. Wir kaufen Bananen, Schweizer Öpfl, Milch, eine Zitrone...nix weltbewegendes und alles in Single Haushalts Menge.

Kaum bezahlt, schwingen wir uns in Zottl und hoffen, dass das für dieses Wochenende der letzte Kontakt mit Menschen war. Kurz noch Wasserbunkern an der Autobahn, Flauschy hat nix zu tun, kein Mensch dort.

Weiter gen Graubünden, an Chur vorbei, geht es dann in Bonaduz von der Autobahn. Leider sind wir spät dran und es ist bereits dunkel. Denn die nachfolgende Strecke kann man wohl als absolut atemberaubend bezeichnen. Ich bin sie aber noch nie gefahren!

Es geht entlang der Rheinschlucht. Immer am Hang entlang. Stockdunkel. Den ein oder anderen Schlafplatz sehe ich unterwegs noch...sollen wir hier bleiben...ach nee...weiter! Wir wollen an einen Stausee. Und ich hoffe schwer, dass wir hinkommen. Auf Google Street View hab ich mir den Platz genau angeschaut, auch die Zufahrt...ein Problem könnte es geben...aber das wird schon. Ich bin zuversichtlich.

                


Nach der Rheinschlucht geht es über die Versamer Tobelbrücke und über gut ausgebaute und breite Serpentinen den Berg hoch. Kurz vor Versam links, weiter den Berg hoch und immer weiter den Berg entlang in Richtung unseres Schlafplatzes. Rein ins Safien Tal.

Über enge Straßen, gewunden, mal Wald mal offenes Gelände, aber links immer abfallend und rechts ansteigend. Immerhin liegt kaum noch Schnee. Die Strecke größtenteils mit gutem Fahrbahnbelag. Tunnels wie auch die Straße wurden wohl kürzlich erst neu gemacht. Wir fahren und fahren, das Safien Tal immer tiefer rein. Es nimmt kein Ende. Wir kommen nur langsam voran.

Nur gut ist kein Verkehr, denn weiter hinten im Tal, wird die Strecke immer schmaler. Fahrt hier maximal mit einem Kastenwagen. Nicht mit großer Weissware die breiter oder größer als Zottl ist.

Und plötzlich kommt es mir vor, als wäre ich mit Jens unterwegs. Ohne große Vorwarnung hört der Asphalt auf und Zottl hat Baustelle unter den Puschen. Schotter bzw irgendwas in der Art...auf jeden Fall ungemütlich. Einspurig und gewunden. Oh bitte lass uns hier niemanden entgegen kommen!

Wir haben Glück, es kommt keiner. Ohnehin nix los hier. Uns kam kaum jemand entgegen. Liegt das an Corona oder daran, dass wir uns gerade an den Arsch der Welt begeben? Flauschy kann diese Frage nicht beantworten. Scheint, ihr Kurs hat doch nicht alles abgedeckt!

Zig Kurven, Tunnels und Abhänge später, sagt Google Maps: links! Es geht mit einmal zurück setzen in einen schmalen Weg rein. So breit wie Zottl, einspurig mit vielleicht 20 cm links und recht Luft. Ich bin so froh, dass ich fast am Ziel bin, dass ich nicht auf meinen Bauch höre und lustig beginne, den Weg bergab zu fahren. Ein großer Fehler!!!

Man sollte auf seinen Bauch hören in solchen Situationen. Es wäre kein Aufwand gewesen, kurz zu stoppen und ein paar Meter zu Fuß zu laufen. Es hätte mir einiges erspart.

Aber nein, Kai fährt mit Zottl den Berg runter, um einen leichten Linksknick...und dann sieht er das Elend! Eine Lawinenschranke, geschlossen logischerweise, versperrt den Weg. Oh verdammter Scheiss, geht es mir durch den Kopf als ich abbremse. Warum bin ich nicht zu Fuß auf Erkundungstour gegangen. Ich wusste, dass es die Schranke gibt, auf Google Street View gesehen...aber ich dachte: hat ja kaum noch Schnee hier, die Schranke ist sicher offen!

 

Ja, Pustekuchen, einen alten Scheiß ist das Ding offen!

Und jetzt? Tja...welch Freude, rückwärts bei absoluter Dunkelheit diesen schmalen (immerhin asphaltierten) Weg wieder hoch. Steigung rückwärts sicherlich 12%. Das freut die Kupplung...oh f***!

Aber hilft ja nix. Gang rein...oh, stopp. Warte mal. Ich kruschtel kurz beim Co-Piloten rum, schnappe mir was ich suche, ziehe die Handbremse seeehr gut an und verlasse Zottl. Gehe zum Heck und hänge Christian auf. Hm...das hört sich jetzt vielleicht komisch an, Christian ist meine Taschenlampe, mit magnetischen Fuss. Die kommt an die Hecktür. Gibt etwas mehr Licht nach hinten. Denn Sicht kann ich brauchen, es ist eng und geht rechts ziemlich den Hang runter. Gut, das Gebüsch würde den Sturz wohl etwas abfedern, dennoch besser etwas mehr zu sehen.

Wieder rein ins Cockpit, Nebelschlussleuchte für noch etwas mehr Licht an und rückwärts den Hang hoch. Leck mich am Socken...was ein Scheiß. Hauptsächlich fahre ich über die Spiegel, besonders den rechten behalte ich gut im Auge. Da droht der Abhang. Einige mal muss ich stoppen, kurz vorwärts rollen und die Richtung korrigieren. Zweimal kommt das linke Vorderrad vom Asphalt ab und verliert Traktion. Auch da heisst es wieder vorwärtsrollen. Der Mist ist, dass die Straße einen leichten Linksknick macht. Echt tricky bei der Dunkelheit, den zu treffen.

Aber...wie stürzen nicht ab. Ich schaffe es, Zottl wieder hoch bis an die Straße zu wuchten. Puh...das brauch ich nicht jeden Tag! Erstaunlicherweise stinkt die Kupplung nicht. Hab sie wohl nicht ruiniert auf diesen 250 m rückwärts den Berg hoch. Das Team schnauft durch. Co-Pilot und Friedrich nehmen es recht gelassen, kennen es ja nun schon, Flauschy sitzt etwas unflauschig rum und würde wohl am liebsten aussteigen. 
Ja, ich geb mir Mühe, dass das nicht nochmal vorkommt...aber eigentlich haben wir nun ein ganz anderes Problem: wo sollen wir nächtigen?! Unseren Platz am Stausee können wir nicht erreichen wegen der Schranke! Wir sind Platzlos. Verdammte Axt!
 

      

Glück im Unglück: wir haben noch 4G Empfang. Also Google Maps anwerfen und suchen...wie sieht es weiter hinten im Safien Tal aus? Wir brauchen was...schnell...Flauschy dreht mir sonst den Hals rum...hm...könnte das hier was sein...ja...sieht nicht ganz schlecht aus. Nur kommen wir hin? Immer die gleiche Frage wenn wir im Winter unterwegs sind. Schnee kann der Feind sein!

 

Ich drehe Zottl somit wieder in Fahrtrichtung, hinter ins Tal und wir juckeln los. Einspurige Streckenführung, kurvig, Abhang, wieder geht es ewig bis wir die knapp 10 km zurück gelegt haben. Über enge Brücken, teils schlechte Straßen mit üblen Verwerfungen. Es schüttelt uns gut durch. Wir kommen noch durch ein größeres Dorf...das hier noch jemand wohnt...krass...fahren immer weiter...bis...oh, hier müssen wir rechts...oh...oder vielleicht doch besser nicht?!

 

Es liegt Schnee! Viel Schnee auf der Zufahrt zum Platz. Zwei Treckerspuren führen in den Schnee und stoppen nach 10 m. Sieht so aus, als hätte er aufgegeben. Über diesen Weg kommen wir nicht zum angedachten Platz. Aber es gibt noch einen zweiten.

50 m weiter ist auch diese Hoffnung gestorben. Nicht geräumt. Da liegen gut 30-50 cm Altschnee. Unerreichbar wenn man nicht gerade einen Panzer oder Unimog fährt.

Verflucht!!

 

Heute ist echt der Wurm drin. Ist das die Rache des Universums, dass wir bei Corona unterwegs sind? Oder will uns das Universum was anderes sagen...so ala....fahrt weiter, fahrt weiter...da kommt noch was schöneres... Das Tal ist in 2 km zu Ende!! Was soll da noch kommen? Und auf Google Maps war nix zu erkennen, das irgendwie nach schönem Schlafplatz aussieht. 

 

Flauschy schaut mich jetzt echt böse an. Auch bei Co-Pilot und Friedrich kippt gefühlt leicht die Stimmung...oh oh...ich bin am Ar... wenn die jetzt meutern. Ich brauch eine Lösung!

Ich könnte hier in dieser kleinen Ausbuchtung stehen bleiben, direkt an der Straße. Nicht wirklich schön, aber machbar. Oder ich fahre das Tal bis zum bitteren Ende. Ich entscheide mich für letzteres. Weiter!

Einspurig geht es somit weiter, die letzten zwei Kilometer, bis wir am Berggasthaus Turhaus ankommen. Davor eine Art Parkplatz, auf dem auch die letzte Bushaltestelle des Postbusses liegt. Also eigentlich eher ein Wendeplatz... Ich bin etwas ratlos, sehe aber aus dem Augenwinkel ein Schild: Parkplatz 600 m. Zeigt in Richtung noch tiefer ins Tal rein.

Hmm...auf Google Maps war da nix mehr zu sehen und Google Street View war auch nicht weiter als bis zu diesem Platz gefahren. Stimmt das Schild wirklich? Kann ich dem glauben schenken? Nach dem Desaster von vorhin, entscheide ich wie folgt: parken, zu Fuß die Machbarkeit überprüfen, dann entscheiden ob wir die 600 m mit Zottl fahren oder hier uns an den Rand stellen.

Ich schnappe mir Kamera mit killer Beleuchtung und steige aus. Im Haus gegenüber von Zottl brennt Licht und als ich daran vorbei laufe, geht die Tür auf. Man hat wohl meine Killer Beleuchtung gesehen. Eine freundliche Frauenstimme ruft, ob sie helfen könne. Ja, wir sind hier auf dem Land, die Menschen sind freundlich!

Ich bin kurz platt, erzähle ihr dann aber über mein Vorhaben. Und, oh, nur kurz: zwischen mir und ihr liegen sicherlich 10 Meter. Sie steht an ihrer Wohnungstür, ich an ihrem Zaun der den Vorgarten von der Straße trennt. Ich bewege mich auch keine cm weiter in ihre Richtung!

Sie meint, ja, den Parkplatz gibt es und ja, ich käme da ohne Probleme mit meinem Fahrzeug hin. Geil! Denke ich mir! Freundliche bedanke ich mich, bin ja auch Landmensch, wünsche noch einen schönen Abend und freue mich wie ein kleiner Elch....hoffentlich nicht zu früh. Auf jeden Fall bleibt mir ein Fußmarsch erspart. Rein in Zottl und weiter.

Nach 600 m seh ich ein Fahrverbotsschild. Stockdunkel. Und ich denke mir: die hat mich verarscht. Hier ist kein Parkplatz....doch ein Blick nach links zeigt...ah, da ist die dunkle Einfahrt...etwas matschig schaut es aus. Aber was solls, rein da. Oh...da steht ein Pössl Campster...und als wir weiter fahren seh ich am hinteren Ende des Parkplatzes einen weiteren Kastenwagen stehen. DAMIT hätte ich jetzt nicht gerechnet. Dachte, ich bin hier völlig alleine. Aber was solls, der Platz ist so große, dass ich so parken kann, dass ich halbwegs gerade stehe, 75 m vom Kastenwagen und 20 Meter vom Campster weg stehe. 
Unserer Corona Beauftragten reicht dieser Abstand auch. Motor aus, Licht aus. Angekommen! Puh...was eine Anreise.

 

Abendessen! Schnell! Hunger. Selbst gebraute Suppe aufwärmen. Direkt aus dem Topf in den Mund und Magen. Lecker!

Mehr verbreche ich heute nicht. Die Gegend schauen wir uns morgen an. Der Laptop kommt auf den Tisch und ich arbeite noch ein wenig an einem Video.
Gegen 1 Uhr hab ich genug und schnapp mir meine drei, mittlerweile wieder entspannten Mitreisenden, und gehe pennen.

 

Gute Nacht und viele Grüsse
Kai

 

 

GPS Koordinaten des Schlafplatzes:

Wo wir hin wollten: 46.733181, 9.339782

Wo zuviel Schnee lag: 46.641359, 9.280017

Wo wir endeten: 46.619967, 9.277125

 



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Kommentare: 2
  • #1

    Joachim H. (Freitag, 24 April 2020 11:35)

    Hallo Kai,
    die passende Überschrift für diesen Blogbeitrag wäre ja wohl gewesen "Freud und Leid des Freistehers"...
    Aber am Ende hattest Du ja dann das Glück (des Tüchtigen). Ich verstehe aber die Schweizer Behörden nicht ganz, dass sie - an der ersten Sackgasse - die Schranke nicht gleich vorne angebracht haben (oder zumindest ein Warnschild). Kompliment auch für die schonende Kupplungsbehandlung, ist mir in vergleichbarer Situation in Spanien leider nicht gelungen. Der Gestank begleitete mich noch Tage...

  • #2

    Kai (Dienstag, 28 April 2020 11:34)

    Hallo Joachim,
    danke schön für Deinen Kommentar. Volle Zustimmung, der von Dir genannten Titel hätte auch super gepasst! Am Ende hatte ich echt Glück an diesem Abend. Kann man nicht anders nennen.
    In der Tat eine korrekte Feststellung, Schranke oben direkt an der Straße hätte deutlich mehr Sinn gemacht. Vermutlich fahren da sonst nur Locals hin und die wissen oder fühlen ob die Schranke schon oben ist oder nicht. :)
    Über meine Kupplung war ich ernsthaft überrascht. Ich hatte auch erwartet, dass sie mir die Bude vollräuchert. Aber irgendwie, so genau wie weiss ich auch nicht, hab ich sie wohl trotz der Strapazen, schonen können.
    Viele Grüsse.
    Kai